Rache der Königin
Fäuste hob und auf
meine Brust eingetrommelt hätte, glaube ich, hätte ich ihre zarten Handgelenke nicht rasch festgehalten.
»Um Vergebung, Liebste«, sagte ich, »aber Casale ist keine Weibsperson, sondern eine italienische Stadt.«
»Eine Stadt?«
»Um genau zu sein«, sagte ich, ihre Hände loslassend, »ist es die Hauptstadt der Grafschaft Monferrato, die an Savoyen grenzt,
aber dem Herzog von Mantua gehört, dessen Herzogtum unglücklicherweise weit entfernt von dieser seiner Grafschaft liegt, nämlich
im Osten der Halbinsel, nahe der Adria. Um von Mantua nach Casale zu kommen, müßte der Herzog die Lombardei und, was schlimmer
ist, das Mailänder Land durchqueren.«
»Wieso ›was schlimmer ist‹?«
»Weil das Mailänder Land von den Spaniern besetzt ist, die sich die ganzen norditalienischen Gebiete einzuverleiben versuchen;
es geht den Habsburgern um bequeme Truppenverbindungen zwischen Spanien und Österreich.
Nun ist der Herzog von Savoyen, Karl Emmanuel, dem die Grafschaft Monferrato so nahe, ihrem wahren Herrn aber so ferne liegt,
ein kleiner Ehrgeizling, der in seiner ein halbes Jahrhundert währenden Herrschaft stets das Ziel verfolgte, König zu werden,
und zu diesem Zweck sich ständig auf Kosten seiner Nachbarn zu vergrößern trachtete. Aber soll ich wirklich fortfahren, meine
Liebe? Für eine Geschichtsstunde ist ein Bett vielleicht nicht der beste Ort.«
»Monsieur«, sagte Catherine mit einem Funkeln in ihren Goldaugen, »Ihr könnt Euch sicherlich eines größeren Schädels |26| rühmen als ich, das heißt aber noch lange nicht, daß mein Gehirn weniger rege ist. Glaubt Ihr, ich wäre einzig mit Putz und
Tand und Firlefanz beschäftigt?«
»Weder von Euch, Liebste, noch von Euren Geschlechtsgenossinnen habe ich je eine so klägliche Meinung gehegt. Ich hatte bei
meiner Bemerkung ganz anderes im Sinn; schließlich kann man in einem Bett nicht nur schlafen und träumen.«
Hier wechselte Catherine so schnell vom Zorn zum Lachen, daß ich sah, um wieviel reger ihr Gehirn als das meine war.
»Mein Freund«, sagte sie und besänftigte sich mit jedem Wort, indem sie meine Wange streichelte, »leider bin ich für Eure
Werbung heute morgen wenig zugänglich. Eure Geschichtsstunde kommt also gar nicht ungelegen. Erzählt nur weiter von Karl Emmanuel
von Savoyen, der kleinen herzoglichen Maus, die gern ein großer König wäre.«
»Hört denn die Geschichte der Maus. Die einzige Annexion, die ihr glückte, war die erste: Heinrich II. von Frankreich hatte
dem Herzog einst die Grafschaft Saluccio geraubt, und diese holte er sich 1588 schlau zurück, als Heinrich III. gezwungen
war, Paris dem Herzog von Guise zu überlassen. Der arme König ohne Geld und ohne Hauptstadt war natürlich nicht imstande,
gegen unseren Herzog zu kämpfen, und so konnte dieser die Grafschaft Saluccio glücklich behalten.«
»Mein Freund, darf ich fragen, wo denn die Grafschaft Saluccio liegt?«
»Im Süden grenzt sie an die Grafschaft Nizza und im Nordwesten an unser Barcelonnette. Nachdem Karl Emmanuel diesen hübschen
Bissen geschluckt hatte, schnappte er in seiner törichten Gier nach Genua, das ihn aber zurückschlug, und nach Grenoble. Mein
Lieb, stellt Euch das vor! Da herrscht der unbesiegliche Henri Quatre über unser liebliches Frankreich, und Karl Emmanuel
I. von Savoyen vergreift sich an Grenoble! Und was, glaubt Ihr, passiert? Der französische Tiger brüllt vor Verblüffung, daß
diese savoyardische Maus ihm die Nüstern kitzelt. Er schickt Lesdiguières, und im Handumdrehen ist das Herzogtum besetzt.
Als alles zu Ende ist, kommt Henri Quatre, witzelnd und gutmütig, aber seine Interessen scharf im Auge. Er läßt Karl Emmanuel
die Grafschaft Saluccio, fordert aber dafür die Bresse, das Bugey, das Valromey und das Land Gex, um Frankreichs |27| Karte durch ein paar hübsche Flecken Erde abzurunden. Wie er den armen Herzog nun ganz untröstlich sieht, verspricht Henri,
wenn er künftighin sein treuester Verbündeter sein wolle, ihm bei der Eroberung des Herzogtums Mailand zu helfen und ihn darauf
als König anzuerkennen. Mit diesem großzügigen Angebot, das ihn nichts kostet, erheitert er Karl Emmanuels Laune, und nachdem
Henri fort ist, schwebt unser Herzog, der vor Glück über seine künftige Würde seine Gebietsverluste vergißt, auf einer Wolke,
von der er 1610 brutal zu Boden stürzt, als Ravaillacs Messer Henri durchbohrt und damit auch seine
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