Rache der Königin
aus |32| ihrem Unwissen und ihren üblen Sitten emporzuheben. Und mit diesem Verdienst und Ruhm hätte Monsieur de Bérulle sich begnügen
sollen. Leider hatte er sich jedoch in den Kopf gesetzt, nur Spanien besitze Macht und Gelder genug, um die protestantische
Ketzerei auszurotten, und demgemäß hatte Bérulle 1626 den verhängnisvollen Vertrag von Monzon inspiriert mit dem Ziel, Spanien
und Frankreich unter Aufgabe unserer italienischen Bündnisse einander wieder anzunähern.
Dabei muß er sieben Jahre zuvor noch durchaus anders gedacht haben, als er in königlichem Auftrag nach Rom reiste, um einen
Dispens, der ihm sonst in höchstem Maß skandalös hätte erscheinen müssen, für die Eheschließung der katholischen Henriette
von Frankreich, Schwester Ludwigs XIII., mit dem protestantischen Prinz von Wales zu erwirken! Ich meine damit, er wäre besser
beim Leisten seiner Glaubensdinge geblieben, anstatt sich auf das schwierige Terrain der großen politischen Reichsaffären
zu wagen.
»Das Problem Casale«, sagte er schwer atmend und kaum hörbar, »ist eines der großen, vor denen Seine Majestät heute steht.
Und um ganz unverhohlen zu sprechen, scheint es mir völlig verfehlt, diese kleine italienische Stadt und unbedeutende Grafschaft
unter großen Gefahren und Kosten zu entsetzen, während so viele protestantische Städte hier in Frankreich sich Eurer Majestät
mit erhobenen Waffen entgegenstellen. Der Himmel in seiner erhabenen Güte hat Euch, Sire, soeben den Ruhm geschenkt, La Rochelle
zu beugen: Muß man nun nicht in der Bahn bleiben, die der Herr Euch gewiesen, und die Frechheit der Ketzer überall, wo sie
noch rührig ist, beugen und bestrafen? Begeht man sonst nicht den Irrtum, das Feuer in einem abgelegenen Stall zu löschen,
während Teile des Schlosses bereits ein Raub der Flammen sind?«
Leser, du hast zweifellos bemerkt, daß Monsieur de Bérulle in dieser Rede mit keinem Wort Spanien erwähnte und ebensowenig
die Notwendigkeit, sich mit ihm zu verständigen, anstatt Casale seinen Klauen zu entreißen. Dieselbe Zurückhaltung wahrte
in seiner hierauf folgenden Rede auch der Siegelbewahrer Marillac, wollte doch keiner der beiden sich dem Verdacht aussetzen,
er opfere der Kirche die Reichsinteressen.
Kaum war Kardinal Bérulle, sichtlich erschöpft von der Anstrengung, verstummt, als der Siegelbewahrer Marillac ums |33| Wort bat, und weil er demselben Club der fanatischen Frömmler angehörte, wußte jeder, was nun käme, noch bevor er den Mund
auftat. Doch war er auch vom selben Verein, hatte er darum längst kein so argloses Herz wie Kardinal Bérulle, ein »guter Mensch«,
wie Ludwig ihn nannte, eine »gute Seele« laut Richelieu, aber so töricht in seiner tugendsamen Einfalt, daß er wahrhaftig
glaubte, Spanien habe in der Welt kein anderes Ziel, als die Ketzerei zu besiegen. »Eine Utopie!« sagte Richelieu jedem, der
es hören wollte. »Der König von Spanien nennt sich das Oberhaupt der Katholiken! Wer aber wüßte nicht, daß Spanien dem Krebs
gleicht, der den Körper, in den er einfällt, durch und durch zerfrißt, und wer wüßte nicht ebenso, daß dies unter dem Vorwand
der Religion geschieht!«
Ich zweifle nicht, daß Herr von Marillac in seinem Irrtum aufrichtig war, trotzdem muß ich hinzusetzen, daß er das Ziel, die
Ketzerei zu vernichten, mit einem sehr viel weltlicheren Ehrgeiz verband: Wenn Richelieus Politik aufgegeben würde und Richelieu
selbst in schwarze Ungnade fiele, hoffte Marillac an seine Stelle zu treten.
Zu diesem Zweck erhielt er sich, wie auch Bérulle, nur in sehr verschiedener Absicht, bei der Königinmutter in Gnaden. Für
mein Gefühl bewies er damit nicht viel Witz, denn das hieß den Einfluß weit überschätzen, den sie auf ihren Sohn ausübte,
dessen Wesen ja keineswegs angetan war, empfangene Kränkungen zu vergessen, und erst recht nicht, diese zu vergeben. Bekanntlich
war ihm Maria von Medici nie eine gute Mutter. Und Gott weiß, wieviel Zwist Ludwig nicht nur als Kind, sondern auch als Erwachsener
mit ihr hatte, mußte er doch zweimal die Waffen gegen die Aufrührer ergreifen, die sie gegen ihn zusammenrottete.
Übrigens hatte Marillac, der vor giftigen Mitteln nicht zurückscheute, lange vor der hier geschilderten berühmten Ratstagung
bereits versucht, Richelieu bei der Königinmutter anzuschwärzen. Zu diesem Zweck hatte er eine tückische Strategie angewandt,
in die er den
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