Rache: Die Eingeschworenen 4
dass er die Seite, die er angeblich las, ebenfalls verkehrt herum hielt.
» Du wirst das interessanter finden, wenn du es richtig herum hältst«, fügte ich hinzu, und er wedelte mit den Händen, und sein Gesicht verfinsterte sich wie ein Gewitterhimmel über der Ostsee, als er merkte, dass er sich verraten hatte. Doch einen Augenblick später war er wieder die Freundlichkeit selbst.
» Natürlich«, sagte er in fließendem Nordisch mit nur leichtem Akzent. » Entschuldige… Ich bin so sehr damit beschäftigt, diesen wendischen Kerlen Respekt einzuflößen, dass ich manchmal vergesse, mit wem ich es zu tun habe.«
» Du hast es hier mit Orm Ruriksson zu tun«, sagte ich. » Ein nordischer Händler aus Hestreng, der sowohl Runen als auch Latein lesen kann, der Latein und Griechisch spricht, dazu noch ein paar weitere Sprachen, und der jede Münze kennt, die auf der Welt gebraucht wird. Und mit wem habe ich es zu tun?«
» Kasperick«, sagte er, dann winkte er mit leisem Lachen einen Sklaven heran, der einen bauchigen Krug aus Silber in Händen hielt. » Setzt euch, setzt euch«, sagte er leutselig und deutete auf die Bänke. Wir setzten uns, und der Sklave schenkte ein– Wein, wie ich feststellte, rot und unverwässert. Krähenbein nippte nur an seinem Becher. Der rote Njal hatte schon die Hälfte hinuntergestürzt, ehe er merkte, dass er aus einem kostbaren Becher aus blauem Glas trank, den er jetzt genauer betrachtete. Finn trank keinen Tropfen und ich auch nicht.
» Ein Händler?«, fragte Kasperick und faltete lächelnd die Hände. » Ich vermute, du bist genauso wenig ein Händler, wie ich ein Kaufmann bin.«
» Was bist du dann?«
» Slenzane«, erwiderte er lachend. » Für dich ein Sachse, aber ich gehöre zum Stamm der Slenzanen und verwalte dieses Land für den Markgrafen Hodo. Du kannst mich Herr nennen.«
» Ist das derselbe Hodo, dem die Polen bei Cedynja in den Arsch getreten haben?«, fragte Finn verächtlich, denn er hatte in Joms gut zugehört. Kasperick schürzte den Mund wie einen Katzenarsch, aber gerade in dem Moment drehte der rote Njal sein Glas um, dessen Farben er so eingehend betrachtet hatte, dabei goss er sich Wein auf die Hose und sah schuldbewusst auf.
» Ja, dort gab es einen kleinen… Rückschlag«, gab Kasperick widerwillig zu. » Aber dafür werden die Polen bezahlen. Niemand soll denken, dass diese Schlacht uns geschwächt hat. Besonders ihr Ascomanninicht; ich weiß, ihr haltet euch für die Herren über sämtliche Flüsse, nur weil euer König Blaumund eine wendische Prinzessin bumst.«
» Nun, das ist allerdings ein schöner Anfang für zwei Männer, die keine Kaufleute sind«, erwiderte ich, » denn Beleidigungen tauschen wir immerhin schon aus. Im Übrigen heißt er nicht Blaumund, sondern Blauzahn, aber ich nehme an, das weißt du auch.«
Seine Augen flackerten etwas, aber er presste seine Lippen zusammen, als sei sein Mund zugenäht.
» Du hast ganz recht, dass du uns Ascomanni nennst– Eschenmänner. Denn wir sind Nordmänner mit guten Eschenspeeren«, fuhr ich fort und sah in sein versteinertes Gesicht. » Aber wir gehören nicht zu Blauzahns Dänen. Zumindest nicht zu denen, die du von Joms her kennst, denn das sind zum größten Teil Wenden, die nicht viel taugen– aber ich vermute, auch das weißt du. Wir sind zum größten Teil Svear, zum Teil Slawen aus dem Osten und weiter im Norden, die die Araber in Serkland Rus nennen, aber ich erwarte nicht, dass dir das bekannt ist. Das hätte vielleicht ein Dadosezane gewusst oder ein Opolane, wohl selbst die Lupiglanen, aber ich nehme die Unwissenheit der Slenzanen in Kauf.«
Auch ich hatte in Joms gut aufgepasst. Bei meinen Worten hatten sich auf Kaspericks Wangen zwei rote Flecken gebildet, und bei der Erwähnung der rivalisierenden schlesischen Stämme hörte man, wie die Schattengestalten, die im Dunkeln standen, hörbar nach Luft schnappten.
Kasperick wahrte mühsam die Fassung, aber sein Lächeln wirkte gezwungen. Er überspielte es, indem er ein paar Schlucke trank, dann seufzte er.
» Ganz gleich, wer ihr seid«, sagte er nach einem Moment des Nachdenkens und tat es mit einer Handbewegung ab, » ihr seid doch alle gleich, ihr Nordmänner. Schließlich kommt es doch immer darauf an, was ihr auf eurem Schiff habt.«
» Aha, du hast also doch noch deinen Kaufmannshut auf, wie ich sehe«, sagte ich. Dann hob ich entschuldigend die Hände. » Ich vermute, einige Leute von flussabwärts haben versucht,
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