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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmidt
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    Sehr verehrte Gäste,
    der Besitzer der Gaststätte »Abendfrieden«, Herr Traugott Wackernagel, wünscht den Repräsentanten der Stadt Leipzig und den übrigen Gästen einen angenehmen Aufenthalt und gesegneten Appetit. Da wir mit unseren Fleischlieferanten bisher üble Erfahrungen gemacht haben, bitten wir Sie, die Rechnungen an uns im Voraus zu begleichen! Zur besseren Kontrolle unsererseits wollen Sie sich in vorliegende Anwesenheitsliste eintragen!

    Die Unzulänglichkeiten, die Irma am Ende ihres Textes propagierte, waren für die Gäste haarsträubend und für Wackernagel äußerst fatal.
    Um das miese Verhältnis nicht weiter eskalieren zu lassen, hielt ich es für notwendig, dem Wutscher reinen Wein einzuschenken bzw. ihn darüber zu unterrichten, dass bis dato alle verdorbenen Gerichte aus dem Küchenbereich von uns entfernt wurden. Dazu bin ich gar nicht gekommen. Der Boss ließ mich einfach im Flur stehen und quasselte irgendetwas in sein Handy. Ich informierte Irma darüber, die nur hämisch grinste. Am nächsten Tag habe ich noch einmal versucht, an Wackernagel heranzukommen, doch vergebens! Ich legte das Kalenderblatt um und schaute in Sorge auf den 24. August. Punkt 9 Uhr betrat Wackernagel die Bildfläche, um eine Bestandsaufnahme vorhandenen Gefriergutes durchzuführen. Er entdeckte die leeren Fächer in den Gefrierschränken und sah vor, mich stehenden Fußes für das Verschwinden der Fleischportionen in Regress nehmen. Übrig waren je dreißig Portionen des Sauerbratens und der Rinds- und Kohlrouladen, inklusive diverser Suppen. Ich begehrte das erste Mal auf. Dabei schaute ich dem Wutscher böse ins Gesicht und dann auf seine schmutzigen Straßenschuhe. Dabei untersagte ich ihm, so meine saubere Küche zu betreten. Ich hatte, außer meinen Job, nichts zu verlieren. Wackernagel wiederum sah mich an, als wollte er mich ermorden. Inzwischen 11 Uhr geworden, postierten sich die ersten Gäste im Biergarten. Der Tag war zwar wunderschön, doch ich sah schwarz und zwar für mich. Irma dekorierte die Biergartentische nun mit den von ihr textlich verdorbenen Speisekarten. Bislang wusste ich nichts von ihrem Husarenstück. Wackernagel hub an, um die Begrüßung daraus abzulesen und blieb stecken, logisch! Parallel dazu hatten alle Anwesenden das überflogen, was Irma für nicht mehr als recht und billig empfand. Ruck zuck war der Biergarten leer und Wackernagel außer sich. Irma war die Saboteurin des so kundenträchtig begonnenen Tages, noch dazu mit Prominenten der Stadt. Mich machte der Wutscher dafür verantwortlich, dass er den »Abendfrieden« fürs Erste schließen musste. Irma und ich, also »Zwei auf einen Streich«, waren gefeuert. Als ich meine Küchenklamotten abgab, forderte Wackernagel Schadenersatz für das wie er meinte, abhanden gekommene Küchengut. Damit waren natürlich die verdorbenen Speisen gemeint, die wir entsorgten. Jetzt packte ich den Wutscher an den Schultern und schleuderte ihn so kräftig gegen seine Bürotür, dass diese beinahe aus der Laibung brach. Bevor ich diesen Vorgang wiederholte, stellte sich Irma zwischen uns. Jetzt schickte sich der Wutscher an, die 110 anzurufen. Irma schrie fast, als sie ihn als Sünder und Ausbeuter, Drangsalierer und zu guter Letzt als Mobbingspezialisten in einer Person bezeichnete. Dann machte sie Wackernagel darauf aufmerksam, dass sie jeden Meineid gegen ihn schwören würde. Außerdem stünde im Rahmen seiner Anzeige Aussage gegen Aussage. Dabei kullerten dicke Tränen über Irmas Wangen – ich bewunderte sie einfach. Der Wutscher fummelte mit zitternder Hand an seinem Handy herum, um es wieder abzuschalten. Auf seiner Stirn perlte sich der Schweiß und sein Gesicht verriet Reue, irgendwie. Es war das erste Mal, dass ich ihn so erlebt hatte.

    Irma und ich standen auf der Straße, im leichten, seichten Nieselregen, wie bestellt und nicht abgeholt. Wir trugen unser armseliges »Gepäck« in der Hand. Der Wutscher stand hinter der Gardine seines Bürofensters und beobachtete uns. Da waren in meinem Stoffbeutel die »Samba-Latschen«, die mir der Wutscher in der Küche verboten hatte, ein Handtuch, mausgrau, für richtig schmutzige Hände und die abgelatschten Lederschuhe an meinen Füßen, sonst nichts. Irma hatte viel mehr Gepäck »am Mann«, schließlich war sie eine Frau! Mein leerer Magen bereitete mir Schmerzen, aber noch schlimmer waren die beginnenden Depressionen.
    »Sehen wir uns?«, fragte sie. Dann war sie

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