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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmidt
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und befahl mir meine erste Amtshandlung, nämlich in der Küche zwei Tassen Kaffee und zwei doppelte Braune in Auftrag zu geben, wozu sie mich einlud. Ich servierte den Kaffee und die Schnäpse so geschickt ich konnte. Frau Pallhuber sagte nichts und goss den Braunen in ihren Kaffee. Ich lehnte dieses Gemisch ab und trank den Schnaps pur. Dann kam für mich die Hiobsbotschaft: Geplant war eine Rekonstruktion im Inneren des Bahnhofes seitens der Bundesbahn. Der genaue Termin stand noch in den Sternen. Frau Pallhuber war also nur die Pächterin des Ganzen.
    Es war inzwischen 21.30 Uhr, als zwei angesäuselte Gestalten das Lokal betraten. Die schmiss die Chefin schneller hinaus, als sie hereingekommen waren. »Also, dafor sin Se ooch noch zuständich, hättsch bald vergessen!«, sagte sie. Der Gaststättenbetrieb war trotz der fortgeschrittenen Zeit gerade angelaufen. Anfangs hielt ich mich mehr im Hintergrund auf. Eigentlich müsste die Arbeit zu schaffen sein, sagte ich mir, weil sich im Gastraum nur neun Tische befanden. Dann wiederum war ich skeptisch, weil an den Tischen jeweils sechs Stühle standen und so exklusiv sind nun mal Bahnhofskneipen nicht, als dass sich nicht auch sieben Gäste ungeniert einen siebenten Stuhl besorgten, um sich um einen Sechsertisch zu pflanzen. Im Extremfall müsste ich mit 54 Gästen rechnen, meinte sie. Ich wagte nicht daran zu denken, was passieren würde, falls 54 Gäste 54 Gerichte bestellten. Außergewöhnlich für eine Lokalität mit Imbisscharakter war die vorhandene Speisekarte mit mehr als vierzig Gerichten.
    Ich ging laut Anweisung der Chefin erst einmal mit Bockwurst-Salat oder Brot und Getränken ins Rennen. Beim Balancieren des Getränketabletts stellte ich mich so doof an, dass mir erst einmal zwei gefüllte 0,33 er Biergläser umkippten. »Alles was Se heite noch verkippen, müssen Se nach Feierabend nachsaufen!«, war die Pallhuber’sche Reaktion. Ich glaubte, ich hatte mich verhört. Wackernagel hätte mir sofort eine Abmahnung an den Hals geknallt und den Schaden glatt vom Lohn abgezogen. Künftig marschierte ich mit weniger gefüllten Gläsern durch die Tischreihen und versuchte aber, mein Serviertempo zu beschleunigen. Dabei musste ich die Getränkegläser allerdings von oben mit einer Hand stabilisieren, was natürlich einen noch ungeschickteren Eindruck erweckte, als vorher. Ich war mit mir unzufrieden und übte klammheimlich und im Verborgenen erst einmal das Tragen des leeren Tabletts im Einklang zum Schritt. Dann setzte ich die Übung mit leeren Gläsern fort, bis ich die Statik heraus hatte.
    Inzwischen waren einige Wochen vergangen. Ich fühlte mich manchmal wie ein Sklave unter einer Schar von Sklavenhaltern, die nur mit den Fingern schnipste, um mich in Bewegung zu versetzen. In Wahrheit war diese Ausbeuterschar doch eigentlich nur eine Menschenmasse, die von der Schnelllebigkeit der Zeit getrieben wurde. Einen Trost gab es für mich: Man konnte, wenn man nicht allzu stark gestresst wurde, seine Studien treiben und die Leute beobachten, die unruhig auf ihren vier Buchstaben herumrutschten. Manchmal glaubte ich, die Reisenden wollten die Bahnhofsuhr in Hypnose versetzen, um diese zum Stehen zu bringen. Dieses Menschtum reiste eben nur von dort nach da, aus unterschiedlichsten Gründen.

    »Warum bin ich Kellner geworden?«, fragte ich mich oft. Natürlich gab es geregelte Öffnungszeiten für dieses Lokal, also von 8 Uhr früh bis 8 Uhr abends, doch mein Handikap war der bescheuerte Stammtisch-linksaußen, dort, wo die eigentlichen Initiatoren meiner Unzufriedenheit meist bis nach 23 Uhr auf ihren Stühlen klebten, vor sich hin brüteten und von ollen DDR-Kamellen klönten und dreckige Witze rissen. Obwohl es nur eine halbe Hand voll Stammtischkunden von der Straße waren, raubten sie mir den letzten Nerv. Und die Pallhuber duldete all das und nahm mich für diese kleinen Stammtischrunden stets in Anspruch, manchmal bis morgens gegen halb Drei. Um diese Zeit hatte ich einen unerbittlichen Kampf mit dem Schlaf zu führen. Der Haupteingang war um diese Zeit für die Öffentlichkeit geschlossen. Da ging es hintenherum durch den Seiteneingang.
    Natürlich gab es auch lustige Momente. Z. B. bestellte ein Gast das Gericht Nr. 20. Das waren Spaghetti mit Tomatensauce. Dazu servierte ich ihm ein Bier. Er schien ein gebildeter Herr über die Fünfzig zu sein, der sich in Schale geworfen, an einen Tisch pflanzte. Dem hätte ich nie solch ein Gericht zugetraut. Mir

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