Rache einer Hure ROTE LATERNE Band 9 (Rote Laterne Liebesroman) (German Edition)
sollten öfter mal Häschen hüpf spielen. Wie gesagt, stehe ich gerne zu Diensten. Hier ist meine Telefonnummer.«
Mit spitzen Fingern schnippte sie ihm einen Zettel hinüber. Als sie dann sein Büro verließ und hinaus auf den Gang trat, lachte sie so laut und schallend auf, dass alles stehenblieb und nach ihr guckte. Doch draußen auf der Straße überkam sie wieder das Elend. Wie sollte es nun weitergehen?
In den nun folgenden beiden Tagen bemühte sich Vera Wassilowski wiederholt darum eine sogenannte »anständige« Arbeit zu bekommen. Doch je mehr sie sich darum bemühte um so »gläserner« kam sie sich vor. Zum guten Schluss sagte sie den Leuten jedes Mal gleich, dass sie für sechzehn Jahre in Haft gewesen war. Wo immer sie auftauchte und sich bewarb, winkte man nach sogenannter gründlicher Prüfung ihrer Persönlichkeit wieder ab. Vera fand keinen Job.
Dabei hätte sie sich nichts mehr gewünscht, als eine Sicherheit zu haben und ein völlig normales Leben zu führen. Vielleicht hätte ihr dieses darüber hinweggeholfen, die Rachegelüste aus ihrem Herzen zu verbannen. Aber die Gesellschaft versperrte ihr den Weg zur Rückkehr.
Am Abend des dritten Tages nach ihrer Entlassung machte sich die Polin sehr sorgfältig zurecht. Sie schminkte sich so, wie sie es aus früheren Zeiten gewohnt war.
Auf Sankt Pauli gab es ein Lokal, das sich »Das Schmuckkörbchen« nannte. Geführt wurde dieses Etablissement von einer ehemaligen Prostituierten namens Irma Pitmann. Im Milieu wurde diese Frau allgemein nur Pitty genannt. Pitty war groß, rundlich und sehr gemütlich. Sie stammte aus dem Düsseldorfer Raum.
Vera erinnerte sich gut an Pitty. Sie hatte seinerzeit öfter in diesem Lokal verkehrt, und nicht zuletzt Pitty war es gewesen, die ihr damals im Prozess ein eigentlich ganz gutes Leumundszeugnis ausgestellt hatte. Pitty hatte Vera als aufrichtigen und ehrlichen Charakter geschildert. Doch Pitty war eben auch nur eine ehemalige Dirne, und vielleicht hatte man ihr deshalb keinen Glauben geschenkt ...
Nun machte sich Vera auf den Weg zu Pitty, Am Anfang hatte sie es nicht wahrhaben wollen. Aber jetzt fühlte sie ganz deutlich, dass es sie irgendwie zum Milieu zurückzog. Vielleicht war dies auch so, weil ihr wohl im Grunde gar keine andere Wahl blieb.
Von außen her hatte sich das »Schmuckkörbchen« nicht wesentlich verändert. Wie Vera feststellen konnte, war nur die Fassade neu getüncht.
Mit gemischten Gefühlen betrat Vera das Lokal von Irma Pitmann. Der Raum lag in gedämpftem Licht, als Vera Wassilowski eintrat. Es waren nicht sehr viele Gäste anwesend. Dafür war es wohl auch noch etwas zu früh am Abend. Vera erkannte Pitty sofort. Sie hatte sich etwas verändert. Sie trug jetzt eine tizianrote Perücke und wie immer diesen übertriebenen Modeschmuck, der bei jeder Bewegung an ihr klirrte. Die Mädchen, die herumsaßen, kannte Vera nicht.
Langsam steuerte sie auf die Theke zu. Pitty war sehr intensiv mit einem Gast beschäftigt. Vera schloss daraus, dass die Zeiten schlecht waren und die Geschäfte nicht mehr so gut gingen wie vor sechzehn Jahren. Pitty musste sich abmühen ...
»Hallo«, sagte Vera mit ihrer dunklen, etwas rauchig klingenden Stimme.
Die Frau mit dem Puppengesicht und der roten Perücke erstarrte wie zu einer Salzsäule. Dann riss sie die Augen auf.
»Vera«, stotterte sie. »Bist du es wirklich - Vera?«
»Ein Geist nicht«, meinte die Polin etwas süffisant und rutschte auf den Barhocker.
»Du wärst doch aber erst in zwei Jahren ...«
»Die zwei Jahre haben sie mir geschenkt, auf Bewährung, Pitty. Ich bin frei.«
»Seit wann?«
»Seit drei Tagen!«
»Und da kommst du erst heute!«, rief Irma Pitmann. »Komm, lass uns einen trinken.«
»Okay«, sagte Vera. »Ich kann ihn gut gebrauchen.«
»Das kann ich mir vorstellen, nach sechzehn Jahren Knast!«
»Schuldlos«, sagte Vera und hob den Zeigefinger.
»Du bestehst noch immer darauf?«, fragte die rothaarige Pitty.
»Ich bin nicht einen Zentimeter davon abgerückt, Pitty. Du weißt genau, dass ich es nicht gewesen bin, die Hermann eins über die Birne geklopft hat. Ich hätte das nie gekonnt. Ich glaube, Hermann hat mich geliebt, weißt du? Ich habe sehr oft an ihn denken müssen.«
»Und an den anderen?«, krächzte die Pitmann. »Hast du an den anderen auch denken müssen?«
Vera schloss die Augen. Ihre Hände nahmen das Kognakglas und umkrampften es fest.
»Oh, ja«, sagte sie schließlich mit
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