Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)
erkundigt?
Homewood sagte: »Für Hadda sind jetzt seine Bewährungshelfer zuständig, Alva. Wir sollten ihn denen überlassen, meinen Sie nicht? Während er hier war, haben Sie bei ihm Wunder bewirkt, und gerade jetzt, wo Ihre jährliche Beurteilung ansteht, wollen wir uns doch keine Schwierigkeiten einhandeln, oder?«
Er sagte das mit einem Nachdruck, der ihr missfiel. Ihr Vierjahresvertrag war zur Hälfte um, und sie hatte angenommen, dass die obligatorische jährliche Beurteilung so ablaufen würde wie im Vorjahr, in Form eines entspannten Gesprächs, bei dem ihr der Direktor zugesichert hatte, er werde überall an der richtigen Stelle seine Kreuzchen machen. Mit einem Mal kam ihr der unangenehme Gedanke, Homewood könnte das Thema angesprochen haben, um sie daran zu erinnern, dass es in ihrem Interesse sei, sich gut mit ihm zu stellen!
Nein! Das wollte sie nicht glauben. Aber das hieß nicht, dass sie seine indirekte Kritik einfach hinnehmen musste.
Sie sagte trotzig: »Bloß weil ein Patient Parkleigh verlassen hat, hört er für mich nicht auf, Patient zu sein. Wenn ich das Gefühl habe, ein Patient braucht Hilfe, dann bekommt er sie auch.«
»Und Sie hatten das Gefühl, dass Hadda Hilfe brauchte? Aus welchem Grund, wenn ich fragen darf?«
Sie erwog, ihm von Luke Hollins’ Brief zu erzählen, aber dann würde sie ihm womöglich ihren gesamten Besuch in Birkstane schildern müssen, was sie lieber vermeiden wollte.
Sie sagte: »Aus keinem besonderen Grund. Ich wollte mich nur vergewissern, dass alles in Ordnung ist.«
»Sehr gewissenhaft von Ihnen«, sagte er. »Wenngleich mir nicht einleuchtet, wieso dafür eine Mahlzeit und eine Übernachtung erforderlich waren. Schauen Sie, Alva, ich spreche hier nicht als Ihr Vorgesetzter, sondern als Ihr Freund. Sie sollten vorsichtiger sein. Es ist völlig in Ordnung, unter kontrollierten Bedingungen mit diesen Menschen zu reden, aber sie können unberechenbar sein. Mag sein, dass Hadda während seiner Zeit im Gefängnis ein paar Spielchen gespielt hat, aber das heißt nicht, dass er sich nicht echten sexuellen Fantasien hingegeben hat, in denen vermutlich nicht bloß Ihr Fuß eine Rolle gespielt hat!«
Du Arschloch!, dachte sie. Kein Wunder, dass deine Frau dich verlassen hat, wenn du auf die Tour versucht hast, sie zu kontrollieren.
Sie leerte ihr Glas und stand auf.
»Ich muss los«, sagte sie. »Vielen Dank für den Drink.«
Als sie sich dem Haupttor näherte, sah sie, wie gerade ein Besucher herausgeführt wurde. Sie beschleunigte ihre Schritte, um dem Officer die Mühe zu ersparen, das Tor zweimal öffnen und schließen zu müssen, doch Chief Officer Proctor trat aus dem Wachhaus und ging neben ihr her. Am Tor nickte er dem Officer zu und sagte: »Ich bringe Dr. Ozigbo hinaus.«
Er sah dem Mann nach, bis der im Wachhaus verschwunden war, dann sagte er: »Ich hab das mit Ihrem Vater gehört, Miss. Ich hoffe, es geht ihm wieder besser.«
Sie hatte ihn seit ihrer Rückkehr ein paarmal aus der Ferne gesehen, aber jetzt erst bot sich ihnen die Gelegenheit für ein Gespräch.
Sie sagte: »Danke, George. Ja, es geht ihm schon besser.«
»Schön. Und wie geht es Ihnen, Miss?«
»Mir geht es gut, George.«
»Das ist schön. Mr Homewood hat Sie vermisst.«
»Tatsächlich? Ich hoffe, Sie haben mich auch vermisst, George.«
Sie sprach ein wenig spitzzüngig, weil sie sich an jene frühere Unterhaltung erinnerte, bei der Proctor für ihren Geschmack zu vertraulich geworden war. Was war sein Motiv? Vielleicht hatte er von Homewoods Eheproblemen erfahren und versuchte sich jetzt als sein Kuppler! Nein, das ergab keinen Sinn …
»Hab ich tatsächlich, Miss. Schön, wir sind nicht immer einer Meinung, aber Sie sind in Ordnung. Und diskret. Mr Ruskin war auch in Ordnung. Vielleicht nicht ganz so diskret. Jedenfalls, wie gesagt, wir sind froh, dass Sie wieder da sind. Vor allem der Direktor. Ist schon ein einsamer Job. Er muss über alles Bescheid wissen, wenn er ihn richtig machen will, deshalb interessiert er sich auch so für alles. Aber ich will Sie nicht aufhalten, Miss. Es fängt gleich an zu regnen. Also schönen Abend noch.«
Was zum Teufel war das denn?, fragte sie sich auf dem kurzen Weg zum Besucherparkplatz. Neben dem Eingang sah sie den Mann stehen, der vor ihr aus dem Gefängnis gegangen war. Diesmal erkannte sie ihn. Es war Wolf Haddas Anwalt, Mr Trapp.
Sie hatten noch nie ein Wort miteinander gewechselt, aber sie hatte ihn bei den Anhörungen
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