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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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widersetzte.
    Zweimal hatte sie sich in etwas eingemischt, das sie eigentlich nichts mehr anging, zweimal hatte sie sich dabei ertappt, dass sie sich eher wie eine Privatdetektivin verhalten hatte als wie eine Psychiaterin.
    Beide Male war sie von der Nachricht überrascht worden, dass ihr Vater schwer erkrankt war.
    Sie war nicht abergläubisch, doch sie wusste, dass Menschen oftmals Gefühle und Intuitionen als Aberglauben bezeichnen, die nützliche Warnungen außerhalb der Vernunftsphäre vermitteln.
    Obgleich sie Hadda nicht für gefährlich hielt, jedenfalls nicht in einem Sinn, der sie beruflich beunruhigen sollte, glaubte sie inzwischen, dass in seiner Nähe Gefahr lauerte. Und daher zog sie, als sie endlich wieder in London war, bewusst, wenn auch mit einer Spur Unbehagen, einen Strich unter den Fall Wolf Hadda.
    Was die leisen Anflüge von Begehren betraf, die sie empfand, wenn sie an ihn dachte, so redete sie sich ein, dass sie kaum lästiger waren als die leichten Verdauungsbeschwerden, die sie nach dem Genuss von Blauschimmelkäse bekam.
    Und ebenso leicht zu beheben, indem sie darauf verzichtete.
    Sie stürzte sich in die Arbeit. Nach der ausgedehnten Pause wartete ein ganzer Berg auf sie. In Parkleigh begrüßte Simon Homewood sie überschwänglich.
    »Gott, hab ich Sie vermisst«, sagte er.
    Seine Begeisterung klang nicht bloß professionell. Er sah nicht gut aus, und als sie sich erkundigte, wie er Weihnachten verbrachte habe, sagte er: »Wie gewohnt«, und wechselte das Thema.
    Wenige Tage später suchte sie ihn abends in seinem Büro auf, um ihn wie üblich über den Stand ihrer Arbeit zu unterrichten. Dabei sprach sie normalerweise über einzelne Häftlinge, die ihr besondere Sorgen bereiteten, achtete aber stets peinlich darauf, ihm keinerlei Einzelheiten mitzuteilen, die sie als vertraulich eingestuft hätte, wenn die Patienten auf freiem Fuß gewesen wären.
    Als sie fertig war, öffnete Homewood zu ihrem Erstaunen eine Schreibtischschublade und förderte eine Flasche Sherry und zwei Gläser zutage.
    »Sie waren vor Weihnachten so schnell weg, ich hatte gar keine Gelegenheit mehr, mit Ihnen anzustoßen«, sagte er.
    Der Grund für den überstürzten Aufbruch war ihre Entscheidung gewesen, Hadda in Cumbria zu besuchen. Sie hatte damals nichts davon gesagt und sah auch jetzt keinen Grund dazu.
    Er goss ein und reichte ihr ein Glas.
    »Frohes Neues Jahr«, sagte er. »Ich denke, das hätten wir beide verdient, als Ausgleich für zwei ziemlich schauerliche Weihnachten.«
    »Wieso war denn Ihr Weihnachten so schlimm?«, fragte sie.
    »Ach, Familienangelegenheiten«, sagte er ausweichend. Dann trank er einen Schluck und sagte: »Wieso scheu ich mich eigentlich so? Es kommt sowieso bald raus. Sally und ich haben uns getrennt.«
    Ihr egoistischer erster Gedanke war: Ach, du Scheiße! Das änderte alles. Wenn sie Glück hatte, würde er erst dann versuchen, bei ihr zu landen, wenn er seine häuslichen Probleme einigermaßen geregelt hatte, aber dann …!
    Bestimmt würde er versuchen, die Abfuhr, die sie ihm erteilen musste, wie ein altmodischer Gentleman hinzunehmen, aber ihr Verhältnis würde sich zwangsläufig ändern. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er sich wie Giles mit einer offenen, freundschaftlichen, wenn auch gelegentlich leicht anzüglichen Beziehung abfinden würde.
    Sie sagte: »Das tut mir leid.«
    »Danke«, sagte er und betrachtete sie nachdenklich. Auf einmal beschlich sie die Befürchtung, er könnte es vielleicht überstürzen. Um ihn abzulenken, sagte sie munter und ohne zu überlegen: »Übrigens, über die Feiertage bin ich Hadda begegnet.«
    Er schien nicht überrascht.
    »Ach ja, Hadda. Und wie kommt er so zurecht, da oben in seiner Bergfestung?«
    Wieso hatte sie bloß damit angefangen?, fragte sie sich.
    »Er hat einen guten Eindruck gemacht«, sagte sie. »Sehr häuslich. Er kann sogar kochen.«
    »Sie haben mit ihm zu Abend gegessen?«
    Sie sagte: »Es war eigentlich eher einen Imbiss.«
    »Sie beide allein?«
    »Na ja, der Vikar aus dem Dorf war eine Zeit lang dabei.«
    Während sie das aussprach, fragte sie sich: Wieso hab ich ein schlechtes Gewissen? Und was bildet der sich ein, mich auszufragen wie ein viktorianischer Vater, der befürchtet, seine Tochter habe sich kompromittiert?
    Oder ist das eine Überreaktion von mir, und er erkundigt sich bloß so, wie ein Gefängnisdirektor sich bei seiner Gefängnispsychologin nach einem auf Bewährung Entlassenen

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