Racheblut
zusätzlichen Morden lösen konnte. Man musste die Sache planen.
»Du hast es vermasselt, Stuart. Mach das nie wieder.«
»Ganz sicher nicht. Die kleine Schlampe hat mich ausgetrickst. Aber das wird nicht mehr vorkommen.«
Rory nickte brüsk. »Hoffentlich.«
In den fünf Jahren, in denen sie die Nutten bewachten, die man ihnen aufs Anwesen lieferte, hatte es bisher kein einziges Problem gegeben. Die Mädchen waren zumeist sehr jung und in der Regel zu verängstigt, um ans Weglaufen auch nur zu denken. Genau wie es sein sollte. Rory war stolz auf sich, dass er seinen Laden so gut im Griff hatte, aber in letzter Zeit waren sie definitiv zu nachlässig geworden. Am Nachmittag, als dem Mädchen die Flucht gelang, war er nicht einmal da gewesen, und dann hatte Stuart die Situation weiter verschlimmert, weil er ganze zehn Minuten gewartet hatte, bis er ihn anrief. Dadurch hatte sie einen anständigen Vorsprung herausholen können und auch noch den Dusel gehabt, die einzigen Touristen im Umkreis von zwanzig Kilometern zu treffen. Hätte jemand anderes einen so kapitalen Fehler begangen, hätte Rory nicht gezögert, ihm neben den anderen Leichen aus den letzten fünf Jahren ein Grab zu bereiten. Aber Stuart war sein Bruder, und unter Brüdern machte man so etwas nicht.
Das Mädchen am Boden hatte inzwischen aufgehört zu zucken, Stuart verpasste ihr einen Tritt, nur um zu sehen, ob sie auch wirklich tot war, was er doch schwer annahm, weil ihr Kopf halb abgetrennt auf die Brust gekippt war.
Rory atmete tief aus und schaute nach vorn in die dicht stehenden Bäume.
»Drei erledigt. Eine fehlt. Sehen wir zu, dass wir sie finden, dann können wir für heute Feierabend machen.«
Er ließ die Hunde von der Leine, die sofort in der Dunkelheit verschwanden, dann zog er sein Messer, stieg über die Leiche der jungen Frau und trabte locker hinter ihnen her.
8
Erst als sie glaubte, ihre Lunge würde gleich platzen, hörte Ash auf zu rennen.
Sie hatte das Gefühl, kilometerweit gerannt zu sein, trotzdem war der Wald so dicht wie zuvor. Hinter ihr konnte sie in der Ferne die Hunde bellen hören, aber es klang, als hätten sie angehalten. Vermutlich hatten sie ihren Pulli gefunden. Vorhin hatte sie auch noch den BH abgestreift und an einen Baum gehängt, bevor sie erneut die Richtung änderte. Sie hoffte, das würde die Hunde von ihrer Spur ablenken.
Sie konnte nicht ewig Kleidungsstücke ablegen, dazu hatte sie nicht genügend an. Doch sobald sie damit aufhörte, würden die Hunde über ihr sein. Ash musste sich etwas Neues einfallen lassen, denn die Leute, die sie jagten, waren fest entschlossen, sie zur Strecke zu bringen. Das nackte Mädchen hing offensichtlich mit den Machenschaften einer kriminellen Bande zusammen, vielleicht war sie sogar selbst kriminell, und Ash bereute bitterlich, dass sie ihr geholfen hatten. Wenn sie sie einfach weggeschickt und ihre Wanderung fortgesetzt hätten wie ganz Unbeteiligte (was sie ja auch waren), wäre nichts weiter passiert. Sie würden jetzt zu viert um den brennenden Kamin sitzen, ein Glas Wein und das Roastbeef und den Salat genießen, den Ash aus London mitgebracht hatte. Guy hätte seine Hymnen auf Singapur fortsetzen können, Tracy hätte sie mit ihren Schwärmereien über Pediküren und Cocktailpartys auf den sonnenüberfluteten Terrassen irgendwelcher Grand Hotels langweilen können, während sie und Nik (Oh Gott, Nik) wissende Blicke ausgetauscht und sich darauf gefreut hätten, einander die Kleider vom Leib zu reißen, sobald sie die Schlafzimmertür hinter sich zugemacht hatten.
Doch dieses Leben gehörte nun mit einem Schlag einer grauen Vorzeit an. Das Schockierende war, wie schnell alles passiert war. Es konnte kaum mehr als eine Stunde vergangen sein, seit sie den Hügel hinunter zur Lodge marschiert waren und die Einsamkeit der sattgrünen Wildnis genossen hatten, und jetzt hatte ein Mörder die Leben der drei Menschen, mit denen sie den Tag verbracht hatte, das des Mannes, mit dem sie sieben Jahre lang verheiratet gewesen war, einfach so ausgelöscht, jemand, dem Nik nie etwas getan hatte und dem er nie zuvor begegnet war. Sie hatte nicht einmal mehr die Gelegenheit gehabt, ihn zu umarmen und Adieu zu sagen.
Ash spürte, wie ihr die Tränen über die Wangen rannen. Dieses Schwein. Wenn er nur gewusst hätte, was er ihr da antat. Aber das interessierte ihn gar nicht. Und nun wollten er, und wer auch immer ihn begleitete, auch sie umbringen.
Das Bellen kam wieder
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