Racheblut
bringen und dafür sorgen könnte, dass sie den Mund hielt.
Die Falle war mit einem rostigen Draht an einem Bolzen befestigt, der kaum zwei Zentimeter aus der Erde ragte. Mit bloßen Händen begann Ash, den Bolzen auszugraben, weil sie annahm, dass es schneller ginge, Tracy zusammen mit der Falle ins Gebüsch zu ziehen, als vergeblich zu versuchen, sie von ihrem Bein zu lösen.
»Oh Gott«, flüsterte Tracy. »Es tut so weh.«
Ash lächelte sie aufmunternd an, in diesem Moment tat sie ihr aufrichtig leid. »Alles wird gut. Ich versprech’s dir.« Doch als sie den Kopf hob, um noch einmal in die Stille des Waldes zu lauschen, hörte sie es.
Hundegebell.
Und es kam näher.
Tracy und Ash sahen sich an. Tränen rannen über Tracys Wangen, sie realisierte, dass sie am Ende des Weges angekommen war.
»Oh Gott, nein. Bitte, Ash. Bitte, lass mich nicht im Stich. Ich will nicht sterben.« Dabei wurde ihre Stimme vor Panik immer schriller, einer Panik, die auch Ash in sich aufsteigen spürte, eine unbezwingbare Macht, die ihren Körper in Krämpfen erschütterte.
»Tu ich nicht«, flüsterte Ash und verstärkte ihre Anstrengungen, den Bolzen herauszuwühlen, obwohl sie wusste, dass es nichts nutzen würde. »Ich schwöre, ich lass dich nicht allein.«
Doch die Hunde – zumindest zwei von ihnen – kamen rasch näher. Sie konnte hören, wie sie den Hügel herauflechzten. Gleich würden sie über ihnen sein. Ash musste sich entscheiden. Wenn sie bei Tracy blieb und mit ihr der Konsequenzen harrte, würden sie ganz sicher beide sterben. Sollte sie also versuchen, wenigstens sich zu retten?
Sie sah Tracy an.
Tracy blinzelte durch einen Schleier Tränen zurück. Ihr Gesicht war eingefallen und leuchtete fahl im Mondlicht. Sie wusste, was Ash tun würde. Weil ihr keine andere Wahl blieb. Ash hatte sich immer gesagt, dass sie ohne Nik niemals leben könnte. Dass, wenn ihm irgendetwas zustieße, auch sie sterben wollte, weil ein Leben ohne ihn sinnlos wäre. Doch jetzt, mit der Situation konfrontiert, merkte sie, dass das Unsinn war. Sie wollte leben. Die Welt wiedersehen. Den Sonnenuntergang. Blumen riechen. Dankbar das meiste aus den Geschenken des Daseins machen, die sie bis heute Abend eher achtlos und als selbstverständlich hingenommen hatte.
»Es tut mir leid«, flüsterte sie und sprang auf, »bitte vergib mir.«
Tracy stieß ein so lautes und durchdringendes Heulen aus, dass für einen Moment sogar die Hunde zu bellen aufhörten. Ash brachte es nicht mehr über sich, ihr ins Gesicht zu schauen. Sie hatte soeben eine unschuldige Frau zum Tode verurteilt, auch wenn ihr klar war, dass sie keine Wahl hatte.
Sie sprintete los, versuchte, sich auf die Büsche und Bäume vor ihr zu konzentrieren, und suchte gleichzeitig den Boden nach weiteren Fallen ab. Für Schuldgefühle würde sie später noch Zeit haben. Dann würde sie auch trauern können, doch jetzt galt es zu überleben, und wieder einmal war sie dankbar, dass sie so viel Zeit und Schweiß in ihren Körper investiert hatte. Zwar hatte sie keine Chance, den Hunden davonzulaufen, aber die würden zumindest eine Weile mit Tracy beschäftigt sein, und in der Zwischenzeit musste sie Mittel und Wege finden, ihnen die Witterung zu rauben. Im Laufen streifte sie den Fleecepulli, den sie den ganzen Tag getragen hatte, ab und sah sich nach einer geeigneten Stelle um, um ihn fallenzulassen.
Ein Schrei zerriss die kühle Nachtluft – schrill und schrecklich hallte er durch die Bäume.
Und hörte plötzlich auf. Wie abgeschnitten.
Das hieß, dass Tracy tot war und dass sie nun hinter ihr her waren.
Sie ließ den Pulli fallen und änderte die Richtung.
7
Sie machten kurzen Prozess.
Stuart packte sie von hinten, hielt sie fest und schnitt ihr mit einer geschmeidigen Bewegung die Kehle durch, während Rory danebenstand, die Hunde festhielt und zuschaute.
Er schüttelte den Kopf. »Wir haben ein verdammtes Problem am Hals. Das bringt uns eine Menge Ärger ein. Osteuropäische Nutten kommen im Dutzend billiger, die vermisst niemand, aber das hier sind beschissene Touristen. Der Boss wird ganz schön sauer sein.«
»Wir müssen einfach sichergehen, dass sie verschwinden«, erwiderte Stuart und ließ die junge Frau zu Boden sacken, wo sie noch ein paar Augenblicke herumzuckte und die Falle um ihr Bein knirschend auf der Erde schabte.
Das war das Problem mit seinem jüngeren Bruder, dachte Rory. Er kapierte einfach nicht, dass man seine Probleme nicht mit ein paar
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