Racheblut
dabei mit dem Messer nach ihrer Kehle hieb. Die blutige Klinge war nur noch Zentimeter von ihrem Hals entfernt, und Ash versuchte sich wie ein Fisch am Haken loszuwinden.
Sie riss ihren Kopf herum, und als der Killer wieder ausholte, biss sie ihn in die Hand. Er stieß einen Schrei aus und ließ sie fallen.
Sie schaffte es, sich zu stabilisieren, und landete mit den Füßen voraus auf dem Boden. Ein stechender Schmerz schoss ihre Achillessehne hinauf, doch sie rollte sich ab und sprang wieder auf die Beine.
Tracy humpelte bereits auf die Bäume zu, doch Ash hatte sie schnell eingeholt, packte sie am Arm und zog sie mit sich.
»Ich bin verletzt«, jammerte Tracy und blieb fast stehen. »Ich glaube, ich habe mir den Knöchel gebrochen.«
»Scheißegal«, zischte Ash sie an und sah sie durchdringend an. »Du hast keine Wahl. Du musst damit laufen.«
Inzwischen hatten sie das Unterholz erreicht, und einen Augenblick lang dachte sie daran, Tracy zurückzulassen, weil sie ohne sie weitaus schneller vorankommen würde. Doch schnell verdrängte sie den Gedanken wieder, sie würde nie mit der Schuld leben können, wenn sie ihre Freundin jetzt im Stich ließe.
Sie sah sich schnell um und glaubte, am Waldrand eine Gestalt auszumachen. Das spornte sie an, das Tempo zu erhöhen, und dieses Mal hielt Tracy Schritt, obwohl sie schwer humpelte und ihr Gesicht vor Schmerz verzerrt war. Was Ash am meisten entsetzte, war die Tatsache, dass diese Männer – wer immer sie auch waren – kein Wort gesagt hatten. Lautlos gingen sie ihrem mörderischen Handwerk nach, als wäre es die natürlichste Sache der Welt, und Ash hatte nicht den geringsten Anhaltspunkt, warum sie es auf sie abgesehen hatten.
Es musste etwas mit dem Mädchen zu tun haben, aber das Mädchen war nirgendwo zu sehen. Sie war nicht bei ihnen, soviel stand fest, warum also ließen sie nicht von ihnen ab? Doch was auch der Grund sein mochte, Ash wurde das Gefühl nicht los, dass sie keine Ruhe geben würden, ehe nicht auch sie und Tracy tot waren.
Sie kämpften sich durch das dichter werdende Unterholz, achteten nicht auf die dornigen Büsche und Zweige, die sie zerkratzten, wollten einfach nur flüchten. Diese Wälder waren groß und ausgedehnt. Sie würden genügend Verstecke finden. Am Morgen dann konnten sie jemanden finden und Alarm schlagen.
Ash sah den ersten Hoffnungsschimmer aufscheinen. Sie kamen gut voran, und hinter ihnen war alles ruhig. Niemand schien sie zu verfolgen. Tracy hatte zwar Schmerzen, hielt aber durch. Angst und Adrenalin erfüllten ihren Zweck und trieben sie tiefer und tiefer in den Wald.
Doch plötzlich stieß ihre Freundin einen markerschütternden Schrei aus. Und Ashs Hoffnung zerplatzte wie eine Seifenblase.
6
Tracy stürzte brutal, überschlug sich im aufgeweichten Boden, und einen Moment lang glaubte Ash, sie habe sich den Knöchel vollends gebrochen. Aber es war schlimmer als das. Viel schlimmer.
Eine Falle – wie sie von Jägern zur Jagd auf Füchse verwendet wurde – war zugeschnappt, und die spitzen metallenen Zähne hatte sich tief in ihren Unterschenkel gegraben. Tracy stöhnte vor Schmerz, setzte sich aber auf und versuchte, die Eisen auseinanderzubiegen. Sofort kauerte Ash sich neben sie und wollte helfen. Doch das verdammte Ding bewegte sich keinen Millimeter. Es hatte sich verklemmt.
»Hilf mir, Ash, bitte, hilf mir …«
»Psst, Tracy, nicht so laut«, flüsterte Ash und zerrte gleichzeitig mit aller Kraft an den rostigen Bügeln. »Du musst leise sein.« Doch es gelang ihr nicht, die Panik in ihrer Stimme zu unterdrücken, denn selbst wenn es ihr gelänge, Tracy zu befreien, würde sie nicht in der Lage sein, noch weiterzulaufen. Ihr Bein war schwer verletzt, an zahlreichen Stellen sickerte bereits Blut durch den Stoff ihrer Jeans. Tracy wusste es ebenfalls. Ash sah es an der Hoffnungslosigkeit in ihrem Blick.
»Bitte, lass mich nicht allein.«
»Nein, Tracy, versprochen«, erwiderte sie mit einer Entschlossenheit, die sie gar nicht verspürte. »Du musst einfach nur leise sein. Sonst hören sie uns.«
Ash hielt inne und lauschte in die Stille. Sie versuchte abzuschätzen, wie weit sie sich von der Lodge entfernt hatten. Die Lichter konnte sie nicht mehr erkennen, deshalb vermutete sie, dass die Distanz ein paar hundert Meter betrug. Das Unterholz war hier dicht, und wenige Schritte neben ihnen befand sich ein ausladendes Gebüsch, unter dem sie sich vielleicht verstecken konnten. Wenn sie Tracy nur dorthin
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