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Rachedurst

Rachedurst

Titel: Rachedurst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
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viel. Das Haus war so groß, so düster, so unheimlich. Und dazu diese Geräusche: das leise Klappern alter Schindeln auf dem Dach, das Knacken oder Knarren der Holzdielen. Sie dachte daran, wie Julie einmal erzählt hatte, ihr Onkel Wyatt wandere mitunter mitten in der Nacht über die Flure, weil er nicht schlafen könne. Ob er auch jetzt da draußen unterwegs war?
    Und es war seltsam, wie Julie, Doris, Arlen und Wyatt einander angesehen hatten: als teilten sie ein Geheimnis. Ihr war klar, dass sich darin wahrscheinlich einfach nur ihre tiefe innere Verbundenheit widergespiegelt hatte. Ihre eigene Familie wirkte auf Fremde vermutlich genauso und strahlte eine unbefangene Vertrautheit aus, angesichts derer sich andere nur fragen konnten, was los war. Doch in diesem Fall fühlte sie sich ganz besonders als Außenseiterin.
    Dabei hat mir Dad, überlegte sie, mehr als einmal die Chance gegeben, einen Rückzieher zu machen und auf die Übernachtung zu verzichten.
    Nun aber versuchte sie sich einzureden, es gebe keinen Grund, ängstlich zu sein. Sie hatte sich schon seit Jahren nicht mehr so gefühlt. Ob das an diesem Haus lag? Oder daran, dass Julie sich so seltsam verhalten hatte? An den Fotos? Am Abendessen? Vielleicht war es alles zusammen. Sie wünschte, sie hätte ein Handy. Sie sehnte sich geradezu danach. Dann könnte sie ihren Vater anrufen und ihn bitten, sie abzuholen.
    Dann wiederum plagten sie Schuldgefühle. Während sie bei Julie früher an etwas Königliches gedacht hatte, schien ihre Freundin nun eher an einer Art Erbkrankheit zu leiden. Das arme Mädchen wurde von Verwandten aufgezogen, die einander nicht leiden konnten und eine Art Elternrat bildeten, zu dem ihr Vater und ihre Mutter, die getrennt lebten, gehörten, aber auch ihr Onkel und ihre Großmutter sowie obendrein ein paar Bedienstete und Rancharbeiter, die sie ihrer Lage wegen mit kaum verhohlener Verachtung behandelten. Julie wuchs fern von anderen Kindern in einem siedenden Topf aus Wut und Feindseligkeit auf. Dass sie sich dennoch halbwegs normal entwickelt hatte, sprach nicht nur für ihre Mutter, sondern auch für sie selbst. Und es war nicht so, dass Julie viele Freundinnen hatte, auch wenn es in der Schule so aussah. Wenn es – wie an diesem Abend – darauf ankam, hatte sie nur eine Freundin: Sheridan. Niemand sonst war aufgetaucht.
    Julie brauchte ihre Freundschaft und ihr Verständnis. Sheridan nahm sich fest vor, sich stärker anzustrengen, ihr beides zu geben. Sie wünschte bloß, sie hätte nicht das Gefühl, dass Julie weit mehr benötigte, als sie ihr zu geben vermochte.
    ***
    Sheridan musste zur Toilette, wollte aber den Schlafsack nicht verlassen. Also lag sie im Dunkeln da, starrte an die Zimmerdecke und überlegte, ob sie es sich die Nacht über verkneifen könnte, kam aber zu dem Schluss, dass sie das nicht schaffen würde.
    Bekleidet mit einer Schlafanzughose und einem T-Shirt, schlüpfte sie aus dem Schlafsack und stand auf. Julie wachte nicht auf, auch nicht, als sich Sheridan über sie beugte und eine dünne Fleece-Decke vom Bett nahm, um sich gegen die Kälte im Haus zu wappnen. Sie öffnete die Zimmertür, steckte den Kopf heraus und musterte den Flur in beide Richtungen. Er war dunkel, doch vom Erdgeschoss drang ein schwacher Lichtschimmer durchs Treppenhaus herauf. Am Ende des Korridors gab es eine Toilette neben Arlens Schlafzimmer. Obwohl seine Tür geschlossen war und kein Licht durch den Spalt am Boden drang, hielt sie es für besser, nach unten zu gehen und das Gäste- WC zu benutzen.
    ***
    Sheridan warf sich die Decke über und tappte barfuß die Treppe hinunter. Die Wand mit dem Vermächtnis der Scarletts zog sie an, vor allem Opals mit Tinte bearbeitetes Foto, das sie am Abend gesehen hatte, eine faszinierende Aufnahme. Das musste mit den Augen dieser Frau und ihrem selbstbewussten, aber mysteriösen Halblächeln zu tun haben. Sheridan befreite sich vom Bann des Bildes, ging rasch aufs WC , wusch sich die Hände, schlich wieder raus und schloss die Tür. Da es am Becken keinen Becher gegeben hatte, sie aber Wasser trinken wollte, folgte sie dem Licht.
    Die Küche war leer und blitzblank, doch Sheridan hatte den Eindruck, das Licht sei nicht versehentlich angeblieben. Dann sah sie auf dem Tresen einen Laib Brot und ein Messer und daneben Aufschnitt und fragte sich, wer sich spätnachts eine

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