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Rachedurst

Rachedurst

Titel: Rachedurst Kostenlos Bücher Online Lesen
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wirklich nachgedacht. Ihr Vater sprach wenig über seine Kindheit und Jugend, doch Sheridan hatte stets das Gefühl gehabt, dass es wohl keine allzu gute Zeit gewesen war. Als sie ihn einmal nach seinen Eltern gefragt hatte, denen sie nie begegnet war, hatte er nur geantwortet: »Meine Eltern haben getrunken.«
    Sie hatte ihn angesehen und vergeblich darauf gewartet, er würde mehr erzählen.
    Â»Das ist ein Grund, warum ich Jagdaufseher werden wollte«, hatte er bloß gesagt und auf den Wolf Mountain gezeigt, als würde er damit alles erklären. Und dann war da noch die Andeutung eines jüngeren Bruders, der Sheridans einziger Onkel gewesen wäre. Doch dem war etwas zugestoßen. Ein Autounfall.
    Anders als die Scarletts, die alles von Generation zu Generation weiterreichten, schienen die Picketts ganz von vorn begonnen zu haben und ihr eigenes Vermächtnis, ihre eigene Tradition zu stiften. Sheridan wusste nicht, was besser war.
    Doch je länger Arlen redete, desto glücklicher war sie darüber, dass die mündliche Überlieferung in ihrer Familie mit dem Tag zu beginnen schien, an dem ihr Vater und ihre Mutter sich kennengelernt hatten. Was Arlen erzählte, schien eine zu schwere Last, als dass ein so oberflächliches und naives Mädchen wie Julie sie hätte tragen können. Trotzdem wäre es schön, mehr über ihre eigene Familie zu erfahren.
    ***
    Als die Mädchen zum Schlafen nach oben gingen, bemerkte Sheridan das auf ein Stativ montierte Fernglas in der Nähe des Treppenhausfensters und fragte Julie danach.
    Als Antwort schlug Julie den Vorhang etwas zurück und zeigte über den Ranchhof hinweg auf eine Baumgruppe, wo Onkel Wyatts Hühnerstall in der Ferne zu erkennen war.
    Â»So kann Onkel Arlen prüfen, ob Wyatt sich hier herumtreibt«, erwiderte sie, als wäre dies das Natürlichste auf der Welt.
    Â»Meine Oma hat mir immer Geschichten erzählt«, sagte sie zu Sheridan, als sie sich in Julies Zimmer einquartiert hatten. »Von Urgroßvater Homer und meinem Großvater, ihrem Mann. Und von meinem Vater und meinen Onkeln. Sie hatte eine herrliche Stimme, mit der sie mich immer zum Einschlafen gebracht hat. Ich vermisse sie sehr. Und ihre Stimme.«
    Sheridan wusste nicht recht, was sie darauf antworten sollte. Die Julie, die sie vom Bus und aus der Schule kannte – ungestüm, lebenslustig, strahlend – , war eine andere als die, mit der sie nun zusammen war. Diese Julie war kalt, ernst, überheblich, überlegen und zugleich sehr traurig. Sheridan hatte das Gefühl, diese Julie nicht besonders zu mögen, wenngleich sie ihr leidtat. Diese Julie wollte ihr bloß Dinge erzählen, sich aber nicht austauschen. Obwohl diese Monologe anfangs interessant gewesen waren, hatte Sheridan inzwischen den Punkt erreicht, an dem sie wünschte, ihre Freundin würde das Ganze nicht zu einer reinen Selbstinszenierung machen.
    Â»Du weißt wahrscheinlich nicht, wie es ist, einer berühmten Familie anzugehören«, sagte Julie gerade. »Ohne die Scarletts gäbe es hier draußen schließlich kein Saddlestring noch sonst irgendwas. Ohne uns wärst du nicht mal hier. Nichts für ungut natürlich.«
    Â»Natürlich nicht«, erwiderte Sheridan sarkastisch.
    Â»Du darfst nicht so reagieren.« Julie klang verletzt. »Ich sage einfach nur, wie es ist, weißt du? Das hat meine Oma auch immer getan. Sie hat dafür gesorgt, dass ich mir bewusst bin, etwas Besonderes zu sein – so besonders wie mein Vater und meine Onkel. Wir besitzen das Vermächtnis der Scarletts, und das kann uns niemand nehmen. Ich bin die einzige Erbin – das hat sie mir von klein auf gesagt. Und wie besonders das ist.«
    Sheridan nickte bloß. Das würde eine lange Nacht werden.
    Â»Ich vermisse sie«, setzte Julie hinzu.
    ***
    Sheridan lag hellwach im Schlafsack auf dem Boden von Julies Zimmer. Daneben lag Julie im eigenen Schlafsack. Das gehörte zu den Regeln des gegenseitigen Übernachtens: Gäste und Gastgeber schliefen auf dem Boden, damit es kein Gerangel oder gar Streit um das Bett gab. Sheridan vernahm Julies tiefes, regelmäßiges Atmen. Ihre Freundin schlummerte.
    Sheridan war verängstigt und fühlte sich zugleich schuldig. Das Haus schüchterte sie ein, und das wiederum kam ihr albern vor. Dass Julies Mutter ihr gesagt hatte, man gewöhne sich daran, half ein wenig, aber nicht

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