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Rachedurst

Rachedurst

Titel: Rachedurst Kostenlos Bücher Online Lesen
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wunderte sich jedes Mal, wie sie seine Anwesenheit überhaupt bemerkten. Aber das taten sie und kamen zum Fressen.
    Joe hatte sich nie an das spezielle Verhältnis – genauer: das Nichtverhältnis – zwischen ihm und Nates Tieren gewöhnen können. Das hatte damit zu tun, wie anders und einzigartig Raubvögel im Vergleich zu allen übrigen Geschöpfen waren. Die Partnerschaft von Falke und Falkner war ursprünglich und emotionslos. Platt gesagt: Die Tiere erwärmten sich kein bisschen für den Falkner – und erst recht nicht für Joe. Für niemanden . Greifvögel waren nicht wie Hunde oder Pferde oder gar Katzen. Sie gaben nicht vor, Menschen zu mögen, und zeigten nicht die leiseste Zuneigung. Sie lebten einfach neben den Menschen her und nutzten sie, um Nahrung und Unterschlupf zu bekommen, gaben ihnen dafür aber nur eines zurück: die Fähigkeit zu jagen und zu töten. Ein Falke konnte jederzeit davonfliegen und nicht wiederkehren. Und der Falkner konnte nichts tun, um ihn zurückzuholen. Ihr Verhältnis beruhte auf wechselseitigem Eigeninteresse und einer Art gefühllosem Vertrauen.
    Nach zwanzig Minuten sah Joe einen dunklen Fleck vor dem metallischen Blaugrau der Wolken auftauchen. Er wischte sich den Regen vom Gesicht und beobachtete, wie der Fleck größer wurde. Es war der Wanderfalke, der ultimative Killer. Der Rotschwanzbussard tauchte wenig später auf.
    Der Wanderfalke schoss zweimal knapp über Joe hinweg, ehe er die Flügel spreizte und am Rand der Erhebung aufsetzte. Der Bussard setzte zweimal zur Landung an, schraubte sich dann aber wieder in den Himmel hinauf und verschwand.
    Joe musterte den Falken. Er zeigte nicht das geringste Interesse an den Kaninchen. Sein Schlund war zum Bersten geschwollen und auf seiner Brust klebten Blutflecke und kleine, weiße Daunen: Der Vogel hatte bereits gefressen.
    Joe kauerte sich nieder und sah ihm in die Augen, die so undurchdringlich waren wie schwarz glänzende Steine.
    Â»Wer hat dich gefüttert? Oder hast du selbst einen Vogel geschlagen?« Dann fiel ihm der Bussard ein. »Habt ihr etwa beide ein Tier geschlagen?«
    Etwas ließ ihn sich umdrehen und zu der Steinhütte sehen, die seit einem halben Jahr leer stand.
    Zwei Fenster waren mit frischen Kiefernbrettern verrammelt. Die Haustür war ersetzt worden, und auf dem Dach befand sich eine halbe Reihe neuer Schindeln.
    Trotz des trommelnden Regens spürte Joe sein Herz in der Brust dröhnen.
    Â»Nate, wo bist du?«, rief er.
    Dann sah er ihn. Nate hatte sich flussabwärts im dichten Schilf versteckt und ihn die ganze Zeit beobachtet. Das Schilf um ihn herum tanzte im peitschenden Regen. Nun trat er vor – nackt und mit der riesigen .454er Casull in der rechten Hand.
    Â»Bist du hier, um mich zu töten?«, rief Nate zurück.
    Â»Nein.«
    Â»Ich verdiene es.«
    Â»Das weiß ich.«
    Â»Es wäre dir nicht zu verdenken«, sagte Nate.
    Sie starrten einander eine Zeit lang an. Nate war patschnass, seine bleiche Haut vom Kauern im Morast schlammverschmiert. Das lange blonde Haar klebte ihm an den Schultern. Sein Blick bohrte sich in Joe.
    Nate hatte einst geschworen, Joes Familie zu beschützen, und Joe hatte versprochen, Nates Vögel zu füttern. Trotz all der Dinge, die vorgefallen waren, hatten sie sich daran gehalten, und das war mehr als bloße Freundschaft.
    Â»Warum ziehst du dir nicht was an?«, fragte Joe.

25. KAPITEL
    J. W. Keeley gefiel nicht, wie Hank mit ihm sprach. Es gefiel ihm ganz und gar nicht.
    Hank hatte die übrigen Männer weggeschickt und war mit ihm am Esstisch sitzen geblieben. Die anderen waren in ihre Schlafbaracke zurückgekehrt, die knapp zwei Kilometer von Hanks Jagdhaus entfernt lag. Bei einer opulenten Steak-Mahlzeit hatten sie über den Regen gemault: Er habe die Telefonverbindung der Baracke außer Betrieb gesetzt, und das Licht gehe immer wieder aus. Ganz besonders ärgerten sie sich darüber, dass das Kabelfernsehen streikte und sie das dritte Spiel der Basketball-Playoffs versäumten. Und das Allerschlimmste: Der Fluss war über die Ufer getreten und überflutete die Zufahrtswege zum Highway. Die Männer waren deshalb auf der Ranch eingeschlossen, solange das Wasser nicht zurückging, und konnten nicht mal in die Stadt fahren, um das Spiel zu sehen. Sie hatten ununterbrochen genörgelt, bis Hank den Stuhl

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