Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Racheengel

Racheengel

Titel: Racheengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
Vom Netzwerk:
essen, Sie können sich dort waschen und ausschlafen. Was halten Sie davon?«
    Galya musste daran denken, dass sie kürzlich erst das Hilfsangebot eines Mannes angenommen und welche Schrecken das nach sich gezogen hatte. Aber dann kam ihr ein sehnsüchtiger Wunsch in den Sinn und überwog alle Angst.
    »Ein Bad?«, fragte sie und stellte sich im Geiste schon das warme Wasser auf ihrem Körper vor.
    »Ob Sie mit diesen Verbänden an den Füßen ein Bad nehmen können, weiß ich nicht«, sagte die freundliche Frau.
    »Doch, ein Bad«, sagte der Polizist. »Ihre Verbände halten wir schon irgendwie trocken.«
    Galya dachte nicht mehr lange nach.
    »Da will ich hin«, sagte sie.

72
    Edwin Paynter blieb reglos liegen, während sie ihn von einem Zimmer ins nächste schoben, Scans und Untersuchungen machten und die Schwestern ihm das Blut wegwischten und die Ärzte Aufnahmen von seinem Schädel studierten. Die Polizisten maulten, dass sie hierbleiben mussten und nicht nach Hause zu ihren Familien konnten. Man erinnerte sie daran, dass bei einer Kopfverletzung der Patient beobachtet werden und sie eben abwarten müssten, bis andere Beamte kamen und sie ablösten.
    All das hörte Paynter sich an und starrte dabei unverwandt an die Decke. Er vertrieb sich die Zeit damit, im Geiste noch einmal die Schritte durchzugehen, die er sich für solch eine Situation zurechtgelegt hatte. Ein paar Minuten der Verwirrung und Orientierungslosigkeit, dann würde er die Augen verdrehen und die Zunge heraushängen lassen, die Bewegungen seiner Bauchmuskeln verstärken, den Kopf zur Seite sacken lassen und mit den Beinen strampeln.
    Schon einmal hatte er diese Technik angewandt, als ihn in einem Einkaufszentrum eine junge Frau zur Rede gestellt und beschuldigt hatte, er verfolge sie. Es hatte wunderbar funktioniert, im Nu hatte sich ihre Wut in Angst und Besorgnis verwandelt.
    Wenn es soweit war, würde er einen Anfall heraufbeschwören, alle in Panik versetzen und in diesem Chaos sein Heil suchen.
    Aber jetzt noch nicht.
    Die beiden Polizisten, die ihn bewachten, standen stramm, als Detective Lennon den Raum betrat. Sie ließen ihn vorbei, der Detective kam her und setzte sich neben ihm aufs Bett. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen.
    »Edwin Paynter«, sagte Lennon.
    Paynter hielt den Mund und starrte wieder die Decke an.
    »Dem Mädchen geht es gut«, fuhr Lennon fort. »Sie wird gerade entlassen. Der Frau, die Sie unter dem Dach eingesperrt hatten, wird es auch bald besser gehen. Sie freuen sich doch sicher, das zu hören.«
    Wenn Paynter sich darauf konzentrierte, konnte er auf den Deckenfliesen Formen erkennen. Köpfe, Arme, Beine, menschliche Gestalten und Tierfiguren, die auf der weißgrau melierten Fläche herumtollten.
    »Sie werden sich in einer ganzen Reihe von Anklagepunkten verantworten müssen«, sagte Lennon. »Wahrscheinlich Entführung, zumindest aber Freiheitsberaubung. Und Körperverletzung. Dann haben wir da diesen Mann mit ein paar Löchern im Bauch, dafür müssen Sie auch geradestehen. Vielleicht können Sie sich ja auf Selbstverteidigung berufen und behaupten, er sei ein Eindringling gewesen, aber damit kommen Sie nicht weit.«
    Paynter hielt den Atem an und konzentrierte sich auf ein ganz bestimmtes Gesicht an der Decke. Ein freundliches, liebevolles Gesicht, das auf ihn hinabblickte. Er lächelte zurück.
    »Aber da ist eine Sache, die mich besonders neugierig macht«, fuhr Lennon fort. »Diese Zähne, die wir gefunden haben. Wo stammen die her?«
    Paynter wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Detective zu.
    »Und was ist unter dem Betonboden im Keller?«
    Das Gesicht an der Decke flüsterte ihm etwas zu, ein Stichwort. Paynter wiederholte es.
    »Der Herr wird mein Richter sein«, sagte er.
    Lennon lächelte, und der Verband an seinem Kinn zog sich in die Länge. »Ganz am Schluss«, sagte er. »Vorher müssen Sie aber noch die weltlichen Gerichte über sich ergehen lassen.«
    Eine Schwester schob einen Servierwagen mit Tee am Zimmer vorbei. Sein Geklapper und Gerassel verwandelte sich in Botschaften. Paynter sprach sie Wort für Wort nach.
    »Ich werde nie einen Gerichtssaal von innen sehen«, sagte er. »Der Herr wird es nicht zulassen.«
    »Der Herr hat in dieser Angelegenheit nichts zu melden.«
    Paynter schnaubte verächtlich. Der Schmerz an seiner Schläfe pulsierte im Rhythmus seines Lachens. Überall um ihn herum, im ganzen Krankenhaus, war ein Raunen, jeder Lufthauch wehte ihm Gottes Wort zu.
    »Der Engel

Weitere Kostenlose Bücher