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Racheengel

Racheengel

Titel: Racheengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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Haut. Ohne nachzudenken, legte sie einen Unterarm über ihre nackten Brüste und den anderen zwischen ihre Schenkel, so dass ihre Hand über dem Knie lag.
    »Mein Name ist Billy«, sagte er.
    Galya antwortete nicht.
    »Bin ich wirklich dein erster Freier?«, fragte er.
    Galya schluckte und presste die Lippen zusammen.
    »Es hat dich also noch nie jemand angerührt?«
    Galya starrte auf das Muster der vergilbten Tapete.
    »Gut«, sagte er. »Dann ist es noch nicht zu spät.«
    Er kniete sich auf den Boden und sah zu ihr hoch wie ein Verehrer, der einen Heiratsantrag macht.
    »Ich kann dir helfen«, sagte er. Sein Akzent war weich und samten, nicht so hart und kehlig wie der der Männer, denen diese Wohnung gehörte. Vielleicht war er Engländer, aber sicher war Galya sich nicht.
    Sie hob den Kopf und schaute ihn an. Er sah ihr fest in die Augen, und in seinem Blick lag etwas Verbindliches, Ehrliches.
    »Wenn du es hier herausschaffst«, sagte er, »dann kann ich dir helfen.«
    Galya wollte schon antworten, machte aber den Mund wieder zu, als sie erkannte, dass sie ihm nichts zu sagen hatte.
    »Bitte glaub mir«, fuhr er fort, »ich kann dir helfen. Wenn du von hier fliehen kannst, dann sag niemandem, wo du hingehst. Ich kann dir wieder nach Hause helfen. Wie heißt du?«
    Galya schüttelte den Kopf.
    »Ich heiße Billy Crawford«, sagte er. »Ich bin Pastor. Ein Baptistenpastor, aber man hat mich nicht in eine Kirche geschickt. Stattdessen helfe ich Mädchen wie dir. Ich helfe euch, aus dieser Situation herauszukommen. Verstehst du mich?«
    Er streckte einen Arm nach Galya aus. Sie fuhr zurück.
    »Keine Angst, ich tue dir nichts«, sagte er, als würde er einen zitternden Welpen beruhigen. »Schau hier.«
    Er hielt ihr eine dünne Silberkette vor die Augen, von der ein Kreuz baumelte.
    »Für dich«, sagte er. »Damit Jesus dich beschützt.«
    Er wollte sie ihr über den Kopf streifen. Sie zuckte zusammen.
    »Tut mir leid«, sagte er und ließ die Hände sinken. Das Kreuz ruhte in seinem Schoß. »Ich wollte dir keine Angst machen. Ich weiß, dass du dich fürchtest. Ich weiß, dass du nicht hier sein willst. Das willst du doch nicht, oder?«
    Galya wollte den Kopf schütteln und ihm sagen, dass sie ganz bestimmt nicht hier sein wollte, nein. Stattdessen wandte sie die Augen ab.
    »Schon in Ordnung«, sagte er. »Ich bin hier, um dir zu helfen. Ich kann dir helfen, wieder nach Hause zu kommen, weg von diesen Leuten.«
    Weg.
    So ein großes Wort. So groß, dass es auf Russisch viele Wörter dafür gab. Weg, so wie sie von Mamas Hof weggewollt hatte. Ihr Dorf hatte verlassen wollen. Um frei zu sein von den Dingen, die sie dort festhielten. Um woanders hinzugehen und ihr eigenes Leben führen zu können.
    Jetzt kamen ihr diese Flausen töricht vor, aber das Wort wog trotzdem noch schwer. Von hier weg zu sein, wünschte sie sich mehr als je etwas anderes in ihrem Leben.
    Als er jetzt also erneut die Hand ausstreckte, senkte sie den Kopf und ließ zu, dass er ihr die Kette um den Hals legte. Kalt lag das Kreuz auf ihrer Haut. Sie tastete mit den Fingerspitzen danach und fühlte die harten Kanten.
    »Jesus wird dich beschützen«, sagte er. »Er wird dich beschützen, und Er wird dir helfen, von diesen Leuten wegzukommen. Verstehst du mich?«
    Galya nickte.
    »Gut.« Auf seinem Mondgesicht machte sich ein Lächeln breit. Er nahm ihre Hand und legte ihr einen Zettel hinein, auf dem eine Ziffernfolge stand, jede Zahl fein säuberlich mit Bleistift aufgeschrieben. »Wenn du von hier wegkommst, ruf mich an. Verstehst du? Ruf an. Ich kann dich retten.«
    Er stand auf und ging zur Tür, öffnete sie und ließ Galya im Zimmer zurück. Galya starrte das Papier und die Ziffern darauf an. Sie nahm das Kreuz an ihrer Brust, drehte und wendete es im Licht, hob es an ihren Mund und küsste es.
    Hinter der Schlafzimmertür näherten sich schnelle, harte Schritte. Galya knüllte den Zettel zusammen und stopfte ihn neben sich unter das Kopfkissen. Sie nahm die Kette vom Hals und wollte sie zu der Telefonnummer stecken, aber da ging schon die Tür auf. Galya schloss die Faust um das Kreuz, als Rasa eintrat und fragte: »Was ist passiert?«
    »Nichts«, sagte Galya.
    »Genau«, sagte Rasa und kam zum Bett. »Nichts.«
    »Er wollte nur …«
    Rasas flache Hand klatschte auf Galyas Wange. Dem Schlag folgten erst ein Glühen und dann der Schmerz. »Nichts. Du hast kein bisschen für ihn getan.«
    »Er wollte nur reden«, presste Galya mit

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