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Racheherz - Roman

Racheherz - Roman

Titel: Racheherz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Wahrheit.
    Sie sagte: »Durch die tiefere Bedeutung einer internationalen
Spenderliste, durch die tiefere Bedeutung einer Wartezeit von nur einem Monat auf ein passendes Herz, durch die tiefere Bedeutung der astronomischen Kosten, durch die tiefere Bedeutung eines medizinischen Notflugs nach Schanghai, durch die tiefere Bedeutung des Zwinkerns und Nickens, das Sie tausendfach wahrgenommen haben müssen.«
    Erschauernd entrang sich ihm ein Wort: »Subtext.«
    Handlungen hatten Konsequenzen. Da ihm das schon immer klar gewesen war, hatte er sich sowohl im Geschäftsleben als auch in seinen persönlichen Beziehungen weitgehend an die Spielregeln gehalten.
    Die neue und absolut verheerende Furcht, die in ihm aufwallte und die er in fünfunddreißig Jahren nie gekannt hatte, war die Furcht, dass Handlungen auch über dieses Leben hinausgehende Konsequenzen hatten.
    Nachdem ihre Wut der ruhigen Entschlossenheit, für Gerechtigkeit zu sorgen, gewichen war, wandte sich die Frau mit einem ernsten und strengen Auftreten an ihn.
    »Meine gesamte Ausbildung war darauf ausgelegt, dass ich als Amerikanerin durchgehe. Um eines Tages herzukommen und eine geheime Zelle aufzubauen.«
    In ihre Stimme hatte sich der Ton tiefer Resignation eingeschlichen und ihre grünen Augen schienen zu träumen.
    » Mein geheimer Plan war es, Lily mitzubringen, neue Identitäten anzunehmen und darin aufzugehen. Zu verschwinden und echte Amerikanerinnen zu werden. Jetzt sind meine Aussichten in diesem Land ruiniert. Und in China ohnehin. Und ich weiß nicht, wohin mit mir.«
    Sie starrte ihn über den Lauf der Pistole hinweg an.
    Dickes Blut sickerte langsam aus dem Einschussloch in Ryans Schuh, seine gebrochene linke Hand krümmte sich zu
einer Klaue, sein Kopf schmerzte, als würde er von fest gespanntem Stacheldraht zusammengehalten, aber keiner dieser Schmerzen brachte ihn zum Weinen. Die Tränen wurden durch die Erkenntnis der vorsätzlichen Blindheit aus ihm herausgepresst, mit der er sich Dr. Hobb anvertraut und mit der er tatsächlich sein ganzes Leben geführt hatte.
    Weniger zu Violet, sondern eher zu sich selbst sagte er als Reaktion auf einen impulsiven Geständnisdrang: »An jenem Abend hat Samantha zu mir gesagt, ich müsse vorsichtig sein. ›Gerade du‹, hat sie gesagt. ›Weil du du bist, musst du vorsichtig sein.‹«
    Violet fragte: »Die Schriftstellerin?«
    »Sie hat gesagt, ich solle es einfach geschehen lassen, ich solle es nicht in die Hand nehmen, es einfach akzeptieren, den Dingen ihren Lauf lassen.«
    Wieder zog sich sein Schmerz vollständig zurück, wie er es vorhin schon eine Zeit lang getan hatte, überwältigt von dem Grauen, das alle anderen Gefühle verdrängte.
    »Mein Gott, sie wusste, wozu ich fähig war. Als ich es nicht wusste, hat sie es gewusst … Aber sie hat mich trotzdem geliebt.«
    Diesmal wurde zusammen mit dem Schmerz auch das Grauen verdrängt und sein Fassungsvermögen reichte nur noch für ein einziges Gefühl, das die Herrschaft über seine Empfindungen, seinen Intellekt und seinen Körper an sich riss, ein Gefühl, das ihm neu und doch auf Anhieb vertraut war: Scham.
    Ryan Perry hatte bis zu dem Moment nicht gewusst, dass etwas in ihm zerbrochen war.
    Zu den Wurzeln der Gewalttätigkeit zählte Habgier. Begehrlichkeit.

    Er sagte: »Meine blinde Habgier hat Ihre Schwester getötet.«
    »Habgier? Sie haben doch alles Geld auf Erden.«
    »Die Gier nach Leben.«
    Er hatte ihr Herz begehrt, ein beliebiges gesundes Herz, und er hatte sich selbst belogen, hatte sich vor sich selbst versteckt.
    Violet sah ihn über den Lauf der Pistole hinweg an.
    Jetzt, zu spät, erkannte er, dass ihm vor sechzehn Monaten, gleich zu Beginn seiner Krise, eine außerordentliche Gnade zuteilgeworden war, eine Chance, die Einsicht zu erlangen, die Samantha in ihm erkennen musste, um ihn heiraten zu können: das Bewusstsein, dass das Leben und die Welt einen Subtext haben, tiefere Bedeutung, und dass diese Bedeutung Konsequenzen hat. Ismay Clemm, ein Opfer sowohl der Habgier ihres Ehemannes als auch der Todeslust Spencer Barghests, war weiter gereist als von Denver nach Kalifornien, um ihn vor einem Weg zu warnen und ihn auf einen anderen Weg zu führen. In eindringlichen Träumen hatte Ismay ihm drei Höllen gezeigt, aber er hatte darin nur drei Rätsel gesehen.
    »Noch neun Kugeln«, sagte die Stimme der Lilien. »Acht, um zu verwunden und eine, um es abzuschließen.«
    Kraft des Amtes, das Ismay im Tod bekleidete, hatte

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