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Racheherz - Roman

Racheherz - Roman

Titel: Racheherz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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würde.

56
    Ob er nun durch den Blutverlust geschwächt war oder weil er keinerlei Antrieb mehr verspürte - jedenfalls unternahm Ryan keinen Versuch, sich von dem La-Z-Boy fort zu rühren. Er hatte sich darin zusammengerollt wie ein Hund zum Schlafen, beide Beine angezogen und den Kopf auf eine Armlehne gelegt.
    Als die Lavalampe zersplitterte, war eine der beiden Tischlampen umgefallen und von fliegenden Scherben sogleich gelöscht worden. Jetzt beschränkte sich die Beleuchtung weitgehend auf Kerzen und zwei Dochte, die in Duftöl schwammen. Und obwohl das Zimmer kaum Schaden davongetragen hatte, wirkte es seltsamerweise wie eine Ruine, die nur noch von den übrig gebliebenen Flammen eines großen Brandes erhellt wird.
    Ryan konnte nicht sicher sein, ob Violet schon lange Zeit fort oder gerade erst gegangen war, als eine gebeugte Gestalt hereingehastet kam, durch das Zimmer lief, besorgt vor sich hin murmelte und wütend fluchte. Das Wesen beugte sich über ihn, berührte ihn, piekte ihn mit einem Finger. Er roch einen Atem, der so sauer war, dass er von einem Troll hätte stammen können, der fraß, was immer unter seiner Brücke vorbeispazierte. Danach ging die Gestalt zu einem großen saphirblauen Schrank, der mit Sternen und Monden bemalt war.
    Als sie sich über ihn beugte, hatte Ryans nachlassende Sehkraft nicht ausgereicht, um seinen Blick scharfzustellen,
doch auf diese größere Entfernung konnte er jetzt seinen Vater erkennen.
    Der Schrank mit den Sternen und Monden hatte oben Türen und darunter Schubladen. Jimmy zog eine der Schubladen heraus und leerte ihren Inhalt auf den Boden.
    »Dad.«
    »Schon gut, ich weiß, schon gut.«
    »Ruf die Polizei.«
    Mit der Schublade in der Hand hastete er wieder zu Ryan. Der Widerschein des Lichts der Öllampe machte seine Augen zu Lampions.
    »Ich kann doch nicht zulassen, dass die Bullenschweine mein Hasch finden.«
    Er lockerte den doppelten Boden der Schublade, nahm ihn heraus und warf ihn zur Seite. Als Nächstes zog er eine flache verschließbare Metallkassette von der Sorte heraus, in der kleine Geschäfte nach Ladenschluss ihre Einnahmen verstauten.
    »Ich bin angeschossen.«
    Während er an den Riegeln der Kassette herumfummelte, sagte Jimmy: »Ja, gleich, gleich, gleich.« Aus der Metallkassette zog er Plastiksäckchen mit Gras und Haschisch. »Ich muss das erst runterspülen, dann rufe ich an.«
    »Ruf an und spül dann .«
    »Hier läuft schon zu viel Scheiße ab, viel zu viel Scheiße. Ich kann mich nicht auch noch mit diesem Zeug erwischen lassen.«
    »Dad. Bitte. Ruf an.«
    Als Jimmy durch das düstere Licht davonhuschte und vor sich hin murmelte -«Muss spülen, muss spülen, muss spülen« -, wies er mit niemandem größere Ähnlichkeit auf als
mit Rumpelstilzchen, wenn man mal davon absah, dass er noch verrückter war.
    Ryan versuchte von dem Sessel hochzukommen, doch dabei verlor er das Bewusstsein.
    Nahende Sirenen weckten ihn.
    Jimmy stand über den La-Z-Boy gebeugt und presste einen Lappen an Ryans Kopf.
    »Was tust du da?«
    »Ich muss die Blutung stillen.«
    Der feuchte Lappen roch nach Spülwasser, aber Ryan hatte nicht die Kraft, ihn wegzustoßen. Er sprach durch den Lappen, der auf sein Gesicht geklatscht war: »Hör zu, Dad.«
    »Sie sind gleich da.«
    »Sie hatten Masken.«
    »Wer?«
    »Sind mit Masken eingebrochen.«
    »So ein Blödsinn.«
    »Keine Gesichter gesehen.«
    »Ich habe ihre Gesichter gesehen.«
    Ein Zipfel des Lappens rutschte in seinen Mund und er spuckte ihn aus. »Adresse verwechselt.«
    »Sei still. Spar dir deine Kraft.«
    »Wollten zu einem Curtis.«
    »So ein Quatsch. Hier gibt’s keinen Curtis.«
    »Zu spät gemerkt, schon auf mich geschossen.«
    Als die Sirenen verstummten, sagte Jimmy: »Sie sind vor dem Haus.«
    Ryan raffte sich auf, packte den Lappen und riss ihn von seinem Gesicht. » Hör zu . Das ist die Geschichte.«
    Verwirrt sagte sein Vater: »Wir brauchen eine Geschichte?«

    Ryan würde Violet und ihre beiden Komplizen nicht verpfeifen. Er wollte auch nicht, dass sein Vater es tat.
    »Tief in der Scheiße, Dad. Wir brauchen eine Geschichte.«
    »Masken, falsche Adresse, Curtis Irgendwer«, sagte Jimmy.
    »Schaffst du das?«
    »Bullen verarschen? Hab ich mein Leben lang schon getan.«
    Im nächsten Moment kamen Sanitäter ins Zimmer.
    Da er gerade noch hatte sterben wollen, überraschte es Ryan, wie gern er leben wollte, als die Sanitäter sich über ihn beugten.

57
    Drei Jahre und fünf Monate nach dem

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