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Racheherz - Roman

Racheherz - Roman

Titel: Racheherz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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sie wieder getrennt von ihm, doch die hektischen Bewegungen, mit denen sie nach ihm tastete und ihn fand, verrieten, dass sie damit gerechnet hatte, dass er fort sei. Da ihre Suche und ihre Berührung ihn aus dem Schlaf aufgeschreckt hatten, hielt er sie wieder eng an sich gepresst, doch Nähe genügte jetzt nicht mehr.
    Als sie sich liebten, unterschied sich das von allem, was Ryan jemals erlebt hatte: Ihr Verlangen nach einer vollkommenen Vereinigung war übermächtig, jedoch frei von Lust, ein Geben ohne Nehmen, ein Empfangen ohne jedes Wollen. Zärtlich, selbstlos, nahezu unschuldig feierten sie das Leben, aber es war nicht nur ein feierlicher Akt, sondern vor allem ein Fest zum Gedenken an all das, was sie bis zu diesem Zeitpunkt füreinander gewesen waren, bis zu diesem Wendepunkt in ihrer beider Leben, und es war der feierliche
Vollzug der eingegangenen Verpflichtung, von nun an zwei in einem zu sein, eins miteinander zu sein, immer eins, eins für alle Zeiten.
    Selbst nachdem Ryan von einem Kardiologen mehr oder minder sein Todesurteil erhalten hatte, war ein solcher Moment der Schönheit und der Freude möglich, und das gab ihm nicht nur Hoffnung, sondern festigte auch seinen Entschluss weiterzuleben. Dieser Vollzug im Morgengrauen war für ihn der Gipfel, die beste Brandung seines Lebens, eine perfekte Wellenfront, die sich in die Höhe aufstockte, und es lag nicht in seiner Natur sich auszumalen, was anschließend käme. Keine Wiederholung dieses Idealfalls und schon bald ein neues Leben mit einem neuen gesunden Herzen, sondern stattdessen Irrtümer, eine auf den Kopf gestellte Ordnung, Grauen, Qualen und Verlust.
    Der Orkan.

27
    Ryan bestand die Tests spielend und wurde von der Organisation zur Organverteilung auf die Liste der Herzempfänger gesetzt.
    Nachdem seine Kardiomyopathie diagnostiziert worden war und er Samantha mitgeteilt hatte, wie es um ihn stand, blieben ihm die Träume erspart, die ihn eine Woche lang geplagt hatten. Die Stadt im Meer, der See mit dem schwarzen Wasser und das Spukschloss waren aus seiner nächtlichen Reiseroute gestrichen worden. Es tauchten auch keine anderen Alpträume auf. Er schlief jede Nacht gut und erwachte erholt oder zumindest halbwegs ausgeruht.
    In einsamen Momenten hörte er nicht mehr das seltsame Klopfen - an Fenstern, an Türen, in den Rohren im Bad oder aus einem Plasmafernseher -, das ihm Aufmerksamkeit abverlangt hatte.
    Sein Gefühl, beobachtet zu werden und Gegenstand einer finsteren Verschwörung zu sein, löste sich gemeinsam mit den Träumen und dem Phantompochen in nichts auf. Ein frischer Wind wehte durch sein Leben und blies den schalen Gifthauch der Unvernunft aus seinem Kopf, als hätte er lediglich an einer Pollenallergie gelitten.
    Er hatte keine weiteren Déjà-vu-Erlebnisse. Er vermutete sogar, wenn er nach Denver zurückgekehrt wäre und den kleinen Park mit den Espen wiedergefunden hätte, dann hätte der Ort - und die angrenzende Kirche - nicht noch einmal diese Wirkung auf ihn gehabt.

    Was das Aussehen des Kruzifixes über dem Altar von St. Gemma betraf …
    Nun, im Lauf der Jahre war er in einigen katholischen Kirchen gewesen, bei Hochzeiten und Begräbnissen. Er konnte sich zwar an keinen dieser Altäre erinnern, doch er nahm an, Kruzifixe in römisch-katholischen Kirchen könnten einander vielleicht sehr ähnlich sehen. Es war sogar möglich, dass die Einheitlichkeit verpflichtend war. Wenn er gewusst hatte, was er in St. Gemma vorfinden würde, dann lag das bestimmt nur daran, dass er ein identisches oder sehr ähnliches Kruzifix bei einer dieser Hochzeiten oder Beerdigungen gesehen hatte.
    Die Ruhe und die Klarheit, die ihm seine Paranoia nahmen, führte er auf die Medikamente zurück, die Dr. Gupta ihm verschrieb, darunter auch ein Diuretikum gegen Herzversagen und Tabletten, um Herzrhythmusstörungen zu korrigieren. Sein Blut wurde jetzt besser mit Sauerstoff versorgt als vorher und Toxine, die sich gefährlich gestaut hatten, effizienter aus seinem Körper geschwemmt.
    Er hatte die unsinnige Befürchtung gehabt, ein Ränke schmiedender Giftmischer, ein zeitgenössischer Medici, könnte sich unter seinen Hausangestellten befinden. Ironischerweise war der einzige Giftmischer das Herz in seiner eigenen Brust gewesen, das durch seine verminderte Funktion seinen Verstand vernebelt und seine Wahnvorstellungen genährt hatte. Zumindest schlussfolgerte er das jetzt.
    Als größtes Problem erwies sich im Oktober und November Ryans

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