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Racheherz - Roman

Racheherz - Roman

Titel: Racheherz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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brechen lässt.«
    »Und Menschen zu vertrauen ist eine Gewohnheit, die man nur mit Mühe annehmen kann, Ryan, erst recht wenn man so ist wie du und ich, wenn man bedenkt, woher wir kommen.«

    »Du hast Recht. Schon gut. Ich weiß ja, dass du Recht hast.«
    »Wir können unser Schicksal in bestimmte Bahnen lenken«, sagte sie, »aber wir können nicht darüber bestimmen. Wir können nicht über den Tod bestimmen. In diesem Fall brauchst du ein Team. Es ist dringend erforderlich, dass du solche Entscheidungen erst nach Rücksprache mit anderen triffst.«
    »Ich beratschlage doch gerade mit dir.«
    Sie ließ den Blickkontakt nicht abreißen, antwortete ihm aber auch nicht.
    »Okay«, sagte er. »Du hast Recht. Ich werde nichts unternehmen, bevor ich mit Forry und Dr. Gupta gesprochen habe. Und mit dir.«
    Sie trank einen Schluck von dem Cabernet und stellte das Weinglas wieder ab. Dann sah sie sich in dem funkelnden Raum um und nötigte damit die anderen Gäste, den Blick von ihr abzuwenden.
    Ihre Aufmerksamkeit war wieder auf Ryan gerichtet, als sie sagte: »Liebling, vertrau den Menschen, die sich etwas aus dir machen. Vertrau vor allem mir, weil ich dich so gut verstehe, so ungeheuer gut, so vollkommen - und weil ich dich liebe.«
    »Ich liebe dich auch«, sagte er tief bewegt.
    »Wenn du mich so durch und durch kennen würdest, wie ich dich kenne«, sagte sie, »könnte es sein, dass du mich nicht lieben würdest.«
    »Ausgeschlossen. Wie kommst du darauf?«
    »Weil es wahr ist. Menschen sind so dermaßen komplizierte Geschöpfe, die einen zur Verzweiflung treiben können - da ist es eine Seltenheit, einen von ihnen vollständig zu
kennen, bis ins Mark, und ihn trotzdem zu lieben. Oder sie. Ich brauche übrigens keinen Nachtisch. Was ist mit dir?«
    Sie hatte ihn derart gefangengenommen, dass er ihren Themenwechsel nicht gleich mitkriegte. Er starrte sie an, als hätte sie von Englisch auf irgendeinen obskuren russischen Dialekt umgeschaltet.
    Dann: »Ach so. Nein. Ich brauche auch keinen Nachtisch.«
    »Vielleicht einen doppelten Espresso nach dem Wein.«
    »Das klingt gut.«
    Sie sagte nichts mehr zu Dr. Hobb oder zur komplizierten Natur des Menschen, sondern sprach von angenehmeren Dingen.
    Beim Espresso schenkte sie Ryan ein liebevolles Lächeln, das ihn froh machte, und während das Licht der Kronleuchter in ihren Augen funkelte, sagte sie: »Siehst du, Winky, du hättest mich ruhig in den hintersten Winkel des Lokals setzen können. Selbst wenn wir völlig ungestört gewesen wären, hätte ich dich nicht skalpiert und dir noch nicht mal was hinter die Ohren gegeben.«

    Nur zwei Tage später, am 14. Dezember, war Ryan allein zu Hause und sehnte sich nach Schlaf, der schon seit Stunden auf sich warten ließ. Im tröstlichen Schein einer Nachttischlampe, die er derzeit nur noch äußerst ungern ausschaltete, litt er plötzlich unter Atemnot.
    Er atmete tief ein, ohne Linderung zu finden. Es kam ihm vor, als ströme die Luft, die er in sich aufnahm, nicht in seine Lunge, sondern anderswohin, doch konnte seine Überzeugung,
dass er tief Luft holte, auch eine Fehleinschätzung sein. Augenblicklich überkam ihn das Gefühl zu ersticken, Angst vor dem Erstickungstod, und er konnte die Panik nicht abwehren.
    Als er sich von der Matratze hochstieß, wurde er von einem so akuten Schwindelanfall gepackt, dass das Bett auf einem Karussell zu stehen schien, und er fiel keuchend auf seine Kissen zurück. Heißer Schweiß brach in rauen Mengen aus seinen Poren.
    In dem Moment betrug die Entfernung zwischen ihm und dem Telefon auf dem Nachttisch ein Lichtjahr. Er konnte es sehen, aber seine Kenntnisse in höherer Physik reichten nicht aus, um diese gewaltige Reise zu unternehmen.
    Der Anfall dauerte nur ein paar Minuten, doch als er wieder leichter atmen konnte, hatte Luft nie lieblicher geschmeckt.
    Eine Zeit lang widerstrebte es ihm, sich von der Stelle zu rühren, da er fürchtete, die kleinste Bewegung würde einen weiteren derartigen Vorfall auslösen, genauso stark, wenn nicht noch schlimmer. Als er sich endlich aufsetzte, seine Beine über die Bettkante schwang und aufstand, stellte er fest, dass seine Knöchel dick angeschwollen waren.
    Obwohl er seine Medikamente gewissenhaft und pünktlich einnahm, staute sich Wasser im Gewebe.
    Als er neben dem Bett stand, hörte er zum ersten Mal seit Monaten wieder das Pochen, jemand, der behutsam anklopfte, an ein Fenster oder eine Tür.
    Die Panik war abgeklungen, aber die

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