Racheherz - Roman
Männergeschmack, einen nicht allzu scharfen Verstand und eine lockere Moral hatte, aber weder sie noch ihr in Leichen vernarrter Liebhaber heckte eine Intrige gegen Ryan aus.
Samantha hatte nie erwähnt, dass sie Barghest begegnet war, und ebenso wenig seine Anwesenheit, als man den Tod ihrer Schwester Teresa herbeigeführt hatte.
Rückblickend ließ ihr Schweigen zu dem Thema jedoch höchstwahrscheinlich nur auf Scham schließen. Niemand würde freudig damit herausrücken, dass die eigene Mutter mit einem gruseligen Nihilisten schlief, der Kadaver sammelte und diese als Kunst ausgab.
Im Anschluss an die Episode beim Surfen und den grauenhaften Anfall in der darauffolgenden Nacht, der ihn dazu gebracht hatte, Forry Stafford aufzusuchen, hatte sich Ryan wie ein Besessener an ein einziges Wort geklammert, das der Internist geäußert hatte - Vergiftung . Vermutlich, um sich der Wahrheit nicht stellen zu müssen, dass sein Körper ihn im Stich ließ. Stattdessen hatte er gewaltsam einen äußeren Feind zu finden versucht, der leichter zu bekämpfen war als eine Krankheit oder eine genetisch bedingte Anomalie.
In seiner Verzweiflung hatte er den Rückzug von der Logik angetreten, mit der er bisher jedes geschäftliche und private Problem bewältigt hatte. Er hatte die Vernunft zugunsten der Unvernunft aufgegeben.
Da Kevin Spurlocks Besuch ihn zwang, sich seine Schwäche und seinen Irrtum einzugestehen, schämte sich Ryan jetzt. In der Hoffnung, der Wein würde seiner Demütigung etwas von ihrer Härte nehmen, schenkte er sich ein zweites Glas ein.
Er war dankbar für die Muster aus verblassendem Sonnenlicht und zunehmenden Schatten, die der Pfefferbaum warf, da sie ihn teilweise verbargen. Er hoffte, wenigstens dieses eine Mal würde Samantha sein Gesicht nicht ganz so leicht durchschauen wie eine Geschichte von Dr. Seuss.
Nach einer dritten kleinen Anekdote über Miriam holte Samantha vier kleine Kerzen aus der Küche und verteilte sie auf dem Tisch.
Als ihr Gesicht in den Schein der Gasflamme des Anzünders getaucht wurde und ihr Blick von einem Docht zum anderen wanderte, sagte Ryan »Ich liebe dich« und fühlte sich wie eine hinterhältige Ratte, aber immerhin wie eine Ratte auf dem Weg der Besserung.
25
Als der Mond sich noch nicht ganz vom östlichen Horizont losreißen konnte, obwohl er schon in die Höhe strebte, und der gigantische Pfefferbaum die meisten der in die Ewigkeit entschwindenden Sterne verdeckte, war der Zeitpunkt gekommen, um über den Tod zu reden.
Nach dem Abendessen, als der Tisch bis auf den Wein und die Kerzen abgeräumt war, nahm Ryan Samanthas linke Hand und sagte: »Jeder Moment, den wir gemeinsam verbracht haben, hat mich sehr glücklich gemacht.«
»Das klingt, als käme jetzt ein Aber . Wenn das der Fall sein sollte, dann eignen sich diese Pantoffeln leider nicht dazu, dir in den Hintern zu treten.«
Er würde das Abenteuer seiner Verblendung nicht erwähnen, seine Furcht, er sei vergiftet worden. Wenn er binnen eines Jahres starb, wollte er, dass Sam ihn besser in Erinnerung behielt, als er tatsächlich gewesen war.
Da Sam das Leben so nahm wie das Meer beim Surfen - unter ihren Bedingungen, aber mir Respekt vor seiner Unberechenbarkeit, kühn und furchtlos -, legte Ryan ihr seine Situation kurz, prägnant und unumwunden dar. Er machte weder eine tragische Oper daraus, noch tat er so, als sei es eine Operette, bei der man von vornherein wusste, dass sie mit einem Riesenbrimborium, Tuschs und funkelnden Harfen-Arpeggios enden würde.
Ihre Hand drückte seine, als wolle sie ihn in dieser Welt festhalten. Tränen sammelten sich schimmernd in ihren Augen,
doch sie strengte sich an, sie zurückzuhalten, und das Schimmern bewirkte, dass die Flammen in der Spiegelung stärker funkelten als in den geschliffenen Gläsern, in denen die Kerzen standen.
Sie begriff, dass es für ihn so schwer war, ihr diese Neuigkeit mitzuteilen, wie es für sie verheerend war, sie zu hören. Zwei Dinge, die sie aneinander bewunderten, waren die Unabhängigkeit von fremder Hilfe und die scharfsinnige Einsicht, dass das Leben ein Kampf war, der Optimismus und Zuversicht erforderte.
Ryan war ihr dankbar dafür, dass sie nicht die Beherrschung verlor und weinte, und es freute ihn, dass sie aufmerksam zuhörte, statt ihn mit Fragen zu unterbrechen, doch er war auch gerührt von Samanthas Bemühen, ihre Tränen zu unterdrücken und stark zu bleiben.
Die Heftigkeit, mit der ihr Herz reagierte, war
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