Racheherz - Roman
hatte, um die Wundränder zusammenzuhalten, brachte er parallel zu der Wunde längere Streifen an, damit die kürzeren Streifen besser hielten.
Der Schmerz hatte sich zu einem leichten Pochen abgeschwächt, als er sich umzog.
In einer weichen schwarzen Jeans und einem schwarzen Polosweatshirt begab er sich in den Alkoven.
Die Bar umfasste auch eine kleine Weinauswahl. Er öffnete eine zehn Jahre alte Flasche Opus One und füllte ein Riedel-Glas fast bis zum Rand.
Über die Haussprechanlage teilte er Mrs Amory mit, dass er seine Bettdecke heute Abend selbst zurückschlagen und das Abendessen in seiner Suite einnehmen würde. Er wollte ein Steak und bat darum, den Servierwagen um sieben Uhr auf dem Treppenabsatz vor dem Penthouse abzustellen.
Um Viertel vor fünf rief er Dr. Dougal Hobb in Beverly Hills unter einer speziellen Nummer an. Er rechnete damit, am Wochenende einen ärztlichen Notdienst zu erreichen, was auch der Fall war. Er hinterließ seinen Namen und seine Telefonnummer und betonte, er sei ein Transplantationspatient in einer Notlage.
Dann setzte er sich an den Schreibtisch aus Amboinaholz, schaltete den Plasmafernseher ohne Ton ein und starrte Gangster aus den dreißiger Jahren an, die geräuschlose Maschinengewehre aus lautlosen schwarzen Autos abfeuerten, die ohne das Schleifen von Bremsen oder das Quietschen von Gummi um scharfe Kurven schlitterten.
Nachdem er ein Drittel des Weines in dem Glas getrunken hatte, hielt er sich die rechte Hand vors Gesicht. Sie zitterte kaum noch.
Er schaltete auf einen anderen Sender um und sah sich
an, wie ein untypisch schweigsamer Russell Crowe ein lautloses Segelschiff durch einen Sturm steuerte, der geräuschlos wütete.
Elf Minuten nach Ryans Anruf bei dem ärztlichen Notdienst rief Dr. Hobb zurück.
»Entschuldigen Sie, falls ich Sie übermäßig alarmiert haben sollte, Doktor. Es liegt keine physische Krise vor. Aber deshalb brauche ich Ihre Hilfe nicht weniger dringend.«
So besorgt wie eh und je und ohne das geringste Anzeichen von Verärgerung sagte Hobb: »Ich bin immer im Dienst, Ryan. Zögern Sie nie, wenn Sie mich brauchen. Ich hatte Sie ja schon gewarnt, dass - ganz gleich, wie gut die Genesung verläuft - plötzlich emotionale Probleme auftauchen können.«
»Ich wünschte, es wäre so einfach.«
»Die Telefonnummern der Therapeuten, die ich Ihnen vor einem Jahr gegeben habe, sind noch aktuell, aber falls Sie sie verlegt haben sollten …«
»Es dreht sich nicht um ein emotionales Problem, Doktor. Es ist … ich weiß selbst nicht, wie ich es nennen soll.«
»Dann erklären Sie es mir.«
»Das täte ich im Moment lieber nicht. Aber es ist so … ich muss wissen, wer der Spender meines Herzens war.«
»Aber das wissen Sie doch, Ryan. Eine Lehrerin, die bei einem Verkehrsunfall ein massives Schädeltrauma erlitten hat.«
»Ja, so viel weiß ich. Sie war sechsundzwanzig Jahre alt und wäre jetzt siebenundzwanzig, knapp achtundzwanzig. Aber ich brauche ein Foto von ihr.«
Einen Herzschlag lang war Hobb so still wie Russell Crowes Schiff, während es sich durch verstummte Wassermassen
pflügte, die so furchtbar waren, dass Matrosen an ihren Posten festgebunden wurden, um nicht über Bord gespült zu werden.
Dann sagte der Chirurg: »Ryan, der beste Mann auf dieser Liste von Therapeuten ist Sidney …«
»Kein Therapeut, Dr. Hobb. Ein Foto.«
»Also wirklich …«
»Ein Foto und ein Name, Dr. Hobb. Bitte. Es ist ungeheuer wichtig.«
»Ryan, manche Familien ziehen es vor, dass die Empfänger der Organe ihrer Lieben wissen, wer ihnen das Leben geschenkt hat.«
»Das ist alles, was ich will.«
»Aber vielen anderen Familien ist es lieber, wenn sie - und der Spender - anonym bleiben. Sie wollen keinen Dank und ihr Kummer ist ihre Privatangelegenheit.«
»Das verstehe ich, Doktor. Und in den meisten Fällen würde ich diese Haltung respektieren. Aber ich befinde mich in einer ganz außergewöhnlichen Situation.«
»Bei allem gebührenden Respekt muss ich sagen, es ist unsinnig …«
»Ich bin in einer Situation, in der ich ein Nein als Antwort nicht akzeptieren kann. Ich kann es wirklich nicht. Es geht beim besten Willen nicht.«
»Ryan, ich bin der Chirurg, der ihr das Herz herausoperiert und es Ihnen eingepflanzt hat, und selbst ich kenne ihren Namen nicht. Die Familie möchte ihre Privatsphäre wahren.«
»Jemand im medizinischen Verwaltungsapparat kennt ihren Namen und kann ihre nächsten Angehörigen ausfindig machen. Ich will
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