Racheherz - Roman
nichts weiter als eine Chance, die Familie zu bitten, es sich doch noch einmal zu überlegen.«
»Vielleicht hat sich die Spenderin ausdrücklich ausbedungen, dass ihr Name unbekannt bleibt. Es könnte sein, dass die Familie sich moralisch außer Stande fühlt, sich über die Wünsche der Verstorbenen hinwegzusetzen.«
Ryan holte tief Luft. »Ich möchte nicht taktlos sein, Doktor, aber einschließlich der Gebühren für den Jet und der Arztkosten habe ich eins Komma sechs Millionen ausgegeben, und ich werde für den Rest meines Lebens kostspielige Nachsorge brauchen.«
»Ryan, Sie bringen mich in Verlegenheit. Das sieht Ihnen gar nicht ähnlich.«
»Nein, warten Sie. Verstehen Sie mich bitte richtig. Jeder Penny, den es mich gekostet hat, war gut angelegt, und keine Rechnung war unangemessen hoch. Schließlich bin ich noch am Leben. Ich versuche nur, das Ganze zu relativieren. Trotz all dieser Kosten, die durch keine Versicherung getragen werden, würde ich ihrer Familie gern weitere fünfhunderttausend anbieten, wenn ich dafür ein Foto von ihr bekomme und ihren Namen erfahre.«
»Mein Gott«, sagte Hobb.
»Die Angehörigen könnten gekränkt sein«, sagte Ryan. »Ich glaube, Sie sind es, Doktor. Die Angehörigen könnten mir sagen, ich soll mich zum Teufel scheren. Oder Sie werden es mir sagen. Aber es ist nicht so, dass ich mir einbilde, ich könnte mir für Geld alles kaufen. Es ist nur so … Ich bin in die Enge getrieben. Ich stehe mit dem Rücken zur Wand. Ich werde jedem dankbar sein, der mir helfen kann, jedem, der den Anstand besitzt, sich meiner zu erbarmen und mir zu helfen.«
Dougal Hobb, das sturmgebeutelte Segelschiff und Ryan versanken gemeinsam in tiefe Stille, als schnitte der Chirurg
im Geiste die Situation auf, um sie eingehender zu untersuchen.
Dann sagte Hobb: »Ich könnte versuchen, Ihnen zu helfen, Ryan. Aber ich kann es nicht im Blindflug tun. Wenn ich wenigstens etwas wüsste, wenn Sie mir einen Anhaltspunkt geben könnten, was Ihr Problem betrifft …«
Ryan griff zu einer Erklärung, die der Arzt vielleicht nicht zwangsläufig nachvollziehen konnte, der er aber zumindest einen höheren Wert beimessen könnte als dem Wunsch der Angehörigen, ihre Privatsphäre zu wahren.
»Nennen Sie es von mir aus eine spirituelle Krise, Doktor. Dass sie gestorben ist und ich am Leben geblieben bin, obwohl sie gewiss ein besserer Mensch war, als ich es bin. Ich kenne mich gut genug, um mir dessen sicher zu sein. Und daher lässt es mir keine Ruhe. Ich kann nicht mehr schlafen. Ich bin erschöpft. Ich brauche … eine Möglichkeit, ihr die gebührende Ehre zu bezeugen.«
Nach einem weiteren durchdringenden Schweigen sagte der Chirurg: »Sie haben doch keine öffentliche Ehrung vor, oder?«
»Nein, Sir. Keineswegs. Die Medien haben nie Wind von meiner Krankheit und von der Transplantation bekommen. Ich will nicht, dass meine gesundheitlichen Probleme öffentlich bekannt werden.«
»Sie meinen eine Ehrung in dem Sinne wie … sagen wir mal, wie ein Katholik jemanden ehren würde, indem er eine Messe für die betreffende Person lesen lässt.«
»Ja. Genau das meine ich.«
»Sind Sie Katholik, Ryan?«
»Nein, Doktor. Aber in dem Sinne meinte ich es.«
»Es gibt da jemanden, mit dem ich reden könnte«, räumte
Hobb ein. »Er hat die vollständige Akte über die Spenderin vorliegen. Er könnte diese Frage stellen. Sie der Familie stellen.«
»Dafür wäre ich dankbar. Sie können sich nicht vorstellen, wie dankbar ich dafür wäre.«
»Ich könnte mir vorstellen, dass die Angehörigen bereit sind, Ihnen eine Fotografie zukommen zu lassen. Sogar einen Vornamen. Aber wenn die Familie nicht will, dass Sie ihren Nachnamen erfahren oder eine Kontaktadresse bekommen, über die Sie sich mit den Angehörigen in Verbindung setzen können, würden Sie sich dann mit dem Foto und dem Vornamen begnügen?«
»Die Fotografie wäre mir ein gewaltiger … Trost. Alles, was die Angehörigen für mich tun können. Ich wäre für alles dankbar.«
»Das ist äußerst unüblich«, sagte Hobb. »Aber ich muss zugeben, dass es schon einmal vorgekommen ist. Und in dem Fall haben wir eine Lösung gefunden. Es hängt alles von der Familie ab.«
Die Frau mit den Lilien wollte Ryan foltern, sie wollte seine Nerven in Streifen schneiden, bevor sie ihm eine scharfe Klinge ins Herz stach. Bevor es zu weiteren Gewalttaten kam, würde sie ihm höchstwahrscheinlich einen Tag Zeit geben, um über die leichte Schnittwunde
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