Rachekind: Thriller (German Edition)
warum seine Kunden auf ihn schworen. Er verstand es, ihr den Eindruck zu vermitteln, dass ihr Fall und ihre Sicherheit das Wichtigste auf dieser Welt waren. Genau das brauchte sie. Die Bedrohung durch Rob war unerträglich. Zweimal hatte er Lilou fast geschnappt, und er konnte es jederzeit wieder versuchen. Die Angst davor saß so tief in ihr fest, dass sie auch in Italien keine Sekunde in ihrer Wachsamkeit nachgelassen hatte.
Stein zog einen Zettel aus seiner Innentasche. »Das sind Adresse und Telefonnummer von Steves Eltern. Möchten Sie sie anrufen?«
Hanna nahm das Stück Papier entgegen. Combe Martin, Ilfracombe. Der ungewöhnliche Name war ihr sofort ein Begriff. Der Tankstellenbeleg auf der Kreditkartenabrechnung. Steves Reise.
Sie ließ den Zettel sinken. »Ich fliege hin. Jetzt sofort«, sagte sie und erkannte an seinem Blick, dass er wünschte, die Adresse niemals erwähnt zu haben.
23
Hanna betrat den Souvenirladen am Düsseldorfer Flughafen und sah sich um. Bei dem Regal mit Schokoladespezialitäten fiel ihr eine hübsch verzierte Blechdose auf. Es war absurd. Sie fuhr mit einem Koffer mit deutlich mehr T-Shirts als Pullovern nach England, zu einer Familie, die sie nicht kannte, die sehr wahrscheinlich weder von ihrer noch von Lilous Existenz etwas ahnte und davon vielleicht auch nichts wissen wollte, geschweige denn, dazu bereit war, mit ihr zu reden. Und sie überlegte, welche Pralinen sich am besten als Mitbringsel eigneten. Am liebsten hätte sie die ganze Aktion abgebrochen. Eine größere Blechdose stach ihr ins Auge. Sie nahm sie vom Regal. Ein breites Sortiment an Printen war auf der Unterseite abgebildet, auf der Dose wies ein Sticker auf die integrierte Spieluhr hin. Hanna gab sich einen Ruck. Die Spezialität der Stadt, in der ihr Sohn lebte, war ein perfektes Geschenk für Steves Eltern – was sollte sie ihnen sonst schenken? Sie wusste nichts über sie, nicht einmal, wie sie aussahen. Mit den Schokoladeprinten in der Hand steuerte sie auf die Kasse zu.
Stein wartete bereits auf sie. Sie übergab ihm Lilou, die sich ohne Protest von ihm auf den Arm nehmen ließ. Hanna hatte aufgehört, sich darüber zu wundern, wie zutraulich Lilou seit dem Krankenhausaufenthalt Fremden gegenüber war. Schließlich war auch Stein ein Fremder für sie. Sie hatte ihn erst zweimal gesehen. Es war, als hätte Lilou neues Selbstvertrauen gewonnen.
Hanna legte die Einkaufstüte und ihre Handtasche in den leeren Kinderwagen und sah auf die Uhr. Viertel vor vier. Der Flug nach Bristol startete in vierzig Minuten. »Wir gehen dann mal. Sie haben lange genug auf uns aufgepasst.«
»Ich kann mir immer noch ein Ticket kaufen und mitfliegen. Ein Wort von Ihnen genügt.«
Sie schenkte ihm ein Lächeln. »Danke, aber ich kann wohl kaum in Begleitung eines fremden Mannes bei meinen Schwiegereltern aufkreuzen. Das wird so schon schwierig genug.«
»Und wenn …«
»Es wird schon nichts passieren.« Sie nahm ihm Lilou ab, bevor er sie wieder in eine Diskussion über die Risiken der Reise verwickeln konnte, wie er es auf der Fahrt von Aachen nach Düsseldorf getan hatte. »Ich melde mich.«
Sein Gesicht drückte seinen Unwillen über ihre Entscheidung aus. Hanna war froh, dass er ihr trotzdem geholfen hatte, die Flugtickets zu besorgen, und sie zum Flughafen gebracht hatte.
Sie griff in die Tasche und kramte die Pässe hervor »Also dann … Bis bald … und danke.«
Stein hob die Hand zum Abschied.
Hanna ordnete sich in die Menschenschlange vor der Passkontrolle ein und spürte, wie die Nervosität wieder von ihr Besitz ergriff. Wenn Steves Eltern ähnlich gestrickt waren wie ihre eigenen, hatte sie schlechte Karten. Sagen Sie Ihrem Mann, dass er sich Ihren Eltern nicht mehr nähern darf. Und sagen Sie ihm, dass Ihr Vater ihn in Grund und Boden prozessieren wird, wenn ihm zu Ohren kommt, dass Ihr Mann Lügen über ihn verbreitet. Sie verscheuchte die Erinnerung an ihr letztes Gespräch mit dem Anwalt der Familie und bewegte sich in der Schlange nach vorne. Als nur noch eine Person vor ihr wartete, hörte sie Stein ihren Namen rufen. Sie drehte sich um und hoffte eine Sekunde lang, dass er doch noch ein Ticket gekauft hatte, um sie zu begleiten.
»Haben Sie ein Foto von Steve dabei?«
Hanna schüttelte den Kopf. »Die sind zu Hause. Verdammter Mist! Wenn seine Eltern mich fragen, stehe ich da wie eine Idiotin. Ich müsste mit einem ganzen Album zu ihnen reisen! Und sie fragen bestimmt.«
»Nehmen Sie das
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