Rachekind: Thriller (German Edition)
hast du keine Chance, irgendwas zu finden. Ich muss mich jetzt umziehen, ich bin noch verabredet.« Sie berührte Hannas Arm. »Das ist doch okay für dich? Oder soll ich bei dir bleiben?«
»Nein, nein, geh nur, ich muss Lilou in ihr Bett bringen«, sagte Hanna leichthin, obwohl ihr davor graute, in ihre Wohnung zurückzukehren. »Ich trinke noch meinen Tee, dann pack ich`s.«
»Lass dir Zeit«, antwortete Britt, »dann kannst du mir noch bei der Wahl der passenden Schuhe helfen. Wir gehen ins Red, dieses neue Trendlokal.«
»Ach! Simon ist da heute auch. Das soll richtig gut sein.«
Britt verließ die Küche, und Hanna hörte, wie sie in ihrem Schlafzimmer Schranktüren öffnete. Sie nippte am Tee und verzog den Mund. Der bittere Geschmack von zu lange gezogenem Grüntee haftete an ihrer Zunge. Vorsichtig, um Lilou nicht zu wecken, stand Hanna auf. Sie öffnete die Tür des Küchenschranks, in dem sie vorhin Zucker und Mehl gesehen hatte. Die Zuckerdose war leicht, doch nicht leicht genug, um leer zu sein. Hanna schüttelte sie. Aber das Geräusch war nicht das von Zuckerkristallen, die sanft über Alu scharrten. Hanna schraubte den Deckel ab. Sie hatte sich nicht getäuscht. Es war kein Zucker darin, stattdessen lehnten Fotos an der Dosenwand. Sie zog sie heraus. Starrte sie an, ohne zu verstehen, was sie sah.
Steves Fotos aus der Schatulle.
In Britts Zuckerdose.
Aus dem Badezimmer hörte sie, wie Britt den Spiegelschrank öffnete und wieder schloss. Dann wurde ein Föhn eingeschaltet.
Gesprächsfetzen schossen ihr in den Sinn. Das Foto ist beschriftet. Britt hatte das gesagt, als Hanna ihr die Fotos gezeigt hatte. Sie hatte damals nicht die Rückseite gesehen, wie sie behauptet hatte, sie hatte das Foto bereits gekannt. Von Steve ist noch eine ganze Kiste voll mit Zeug unter unserem Bett . Sie selbst hatte Britt darauf hingewiesen, wo Steves Sachen waren, es musste kinderleicht für Britt gewesen sein, sich die Fotos zu holen. Während sie Lilou ins Bett brachte oder auch tagsüber, wenn sie arbeitete – Britt hatte ja einen Schlüssel zu ihrer Wohnung. Nur – warum? Warum klaute Britt die Fotos? Sie hätte sie haben können. Alle.
Hanna lauschte. Noch immer drang das monotone Gebläse des Föhns aus dem Badezimmer. Die Fotos in ihrer Hand zitterten.
Plötzlich durchzuckte sie ein Gedanke. Was, wenn Britt neben Marten und Steve die Dritte im Bunde war? Passte das nicht noch besser? Deswegen auch Britts Tiraden gegen Marten. Eine bessere Tarnung gab es nicht. Britt ging andauernd bei ihr ein und aus, sie wusste, wann sie zu Hause war, sie hätte leicht Projektoren bei ihr installieren und wieder deinstallieren können.
Sie musste weg. Wenn Britt herausfand, dass sie hinter ihr Geheimnis gekommen war, würde sie handeln müssen. Hannas Körper spannte sich an, als warte sie auf den Startschuss bei einem Wettlauf. Sie steckte die Fotos in die Hosentasche und presste Lilou fester an sich. Schnell verschloss sie die jetzt leere Dose und stellte sie in den Schrank zurück. Ihr Blick fiel auf die Mehldose. Auch sie gehörte nicht in den Geschirrschrank. Obwohl ihr Verstand ihr befahl, die Wohnung so schnell wie möglich zu verlassen, griff ihre Hand danach. Die Dose war schwer. Sie schüttelte sie, es klang dumpf wie feines Mehl. Sie stellte die Dose ab und öffnete sie. Mehl. Trotzdem gruben sich ihre Finger in das weiche, weiße Pulver. Stießen auf etwas Hartes. Hanna zog die Hand aus dem Mehl. In ihren Fingern hielt sie den Skarabäus aus Steves Schatulle.
Der Skarabäus.
Rose.
Wie ein Blitz flammte das Bild vor ihren Augen auf, als sie Britt den Skarabäus gezeigt hatte. Die Zärtlichkeit, mit der sie über die türkisen Flügel gestrichen hatte. Jeder Skarabäus ist wertvoll für seinen Besitzer. Es ist die Bedeutung des Skarabäus, die ihm seinen Wert verleiht.
Britt war Rose. Ausgerechnet Rose.
Hannas Herz pochte hart und schnell, und mit jedem Schlag fiel ihr eine weitere Rose in der kleinen Küche auf, so präsent und leuchtend, als würden ihre Augen sie für einen kurzen Moment heranzoomen und sich dann auf die nächste fokussieren. Sie waren überall. Auf den Sets, den Tüchern, den Bildern. Die Seidenblumen waren Rosen, selbst die Kühlschrankmagnete.
»Hanna?«
Hanna fuhr herum. Britt stand hinter ihr in der Küchentür. Sie sah auf Hanna, dann auf den Skarabäus in ihrer Hand und ihr eben noch freundliches Lächeln erstarrte. Der Skarabäus fiel mit einem Klacken zu Boden. Britt
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