Racheklingen
Herzog von Visserine seufzte. »Ich habe einen trägen Körper, Monzcarro, und keinen trägen Kopf, aber bitte, wie Sie meinen. Sie waren ganz und gar unschuldig. Zweifelsohne haben Sie in Caprile auch nur Kuchen ausgeteilt und niemanden abgeschlachtet. Behalten Sie Ihre Geheimnisse für sich, wenn Sie wollen. Als ob Ihnen das jetzt noch irgendetwas nützen würde.«
Cosca kniff die Augen zusammen, als sie durch einen Torbogen plötzlich in helleres Licht traten, einen hallenden Bogengang durchschritten und den gepflegten Garten erreichten, der in der Mitte von Saliers Galerie lag. Wasser sprudelte an seinem Rand in kleine Becken. Eine angenehme Brise ließ die frisch erblühten Blumen nicken, rührte an den Blättern der Formschnitthecken, zupfte kleine Blütenblätter aus den Kirschbäumen, die man zweifelsohne im heimischen Suljuk aus der Erde gerissen und sie zur Erbauung des Herzogs von Visserine hierher verschifft hatte.
Eine herrliche Skulptur ragte hoch in der Mitte eines gepflasterten Platzes auf, zweimal mannshoch oder sogar noch größer und aus einem vollkommen weißen, beinahe durchscheinenden Marmor gehauen. Ein nackter Mann, schlank wie ein Tänzer und muskulös wie ein Ringer, streckte einen Arm aus und hielt ein Bronzeschwert in der Faust, das dunkel und grünstreifig angelaufen war. Als wolle er ein mächtiges Heer bei der Erstürmung des Speisesaals anführen. Den Helm hatte er sich auf dem Kopf ein wenig zurückgeschoben, und ein Ausdruck strenger Befehlsgewalt lag auf seinen vollkommenen Zügen.
»Der Krieger«, murmelte Cosca, als der Schatten der großen Klinge über seine Augen fiel und das grelle Sonnenlicht auf der Schneide flimmerte.
»Ja, von Bonatine, dem größten aller styrischen Bildhauer, und diese, seine vielleicht beste Arbeit, schuf er zur Blütezeit des Neuen Kaiserreichs. Sie stand ursprünglich auf den Stufen des Senatshauses in Borletta. Mein Vater nahm sie als Entschädigung nach dem Sommerkrieg an sich.«
»Er hat einen Krieg geführt?« Monzas gesprungene Lippen kräuselten sich. »Für das da?«
»Nur einen kleinen. Aber es hat sich gelohnt. Wunderschön, nicht wahr?«
»Wunderschön«, log Cosca. Für einen Hungernden ist Brot wunderschön. Für einen Obdachlosen ein Dach. Für den Trunkenbold ist Wein wunderschön. Nur jene, denen es an nichts fehlt, müssen Schönheit in einem Steinbrocken suchen.
»Als Inspiration diente Stolicus, wenn ich richtig liege, wie er den berühmten Sturmangriff in der Schlacht von Darmium befahl.«
Monza hob eine Augenbraue. »Er führte einen Angriff, so? Man sollte glauben, dass man sich dafür besser ein Paar Hosen anziehen sollte.«
»Das nennt sich künstlerische Freiheit«, erklärte Salier barsch. »Es ist eine Fantasie, da kann man tun und lassen, was einem gefällt.«
Cosca runzelte die Stirn. »Tatsächlich? Ich war immer der Meinung, dass ein Mann die Dinge besser auf den Punkt bringt, wenn er sich nahe an der Wahrheit hält …«
Eilige Stiefelschritte schnitten ihm das Wort ab, als ein nervös wirkender Offizier in den Garten stürmte, das Gesicht schweißüberströmt und mit einer breiten Schlammspur an der linken Seite seiner Jacke. Er fiel auf dem Pflaster auf ein Knie und senkte den Kopf.
»Euer Exzellenz.«
Salier sah ihn nicht einmal an. »Sagen Sie, was Sie zu sagen haben.«
»Es hat wieder einen Angriff gegeben.«
»So kurz nach dem Frühstück?« Der Herzog legte, sichtlich unangenehm berührt, eine Hand auf seinen Bauch. »Ein typischer Unionist, dieser Ganmark. Hat für die Mahlzeiten ebenso wenig Respekt wie Sie, Murcatto. Mit welchem Ergebnis?«
»Die Talineser haben eine zweite Bresche geschlagen, zum Hafen hin. Wir haben sie zurückgetrieben, dabei aber schwere Verluste erlitten. Wir sind in der Unterzahl –«
»Natürlich, das sind Sie. Befehlen Sie den Männern, die Stellung so lange wie möglich zu halten.«
Der Oberst fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Und dann …?«
»Das wäre alles.« Salier löste den Blick nicht von der großen Statue.
»Euer Exzellenz.« Der Mann bewegte sich rückwärts zur Tür, zweifelsohne einem heldenhaften, sinnlosen Tod an der einen oder anderen Bresche entgegen. Die besonders heldenhaften Tode waren stets auch die sinnlosesten, wie Cosca immer wieder festgestellt hatte.
»Visserine wird bald schon fallen.« Salier schnalzte mit der Zunge, als er zum großen Bildnis des Stolicus hinaufsah. »Wie fürchterlich … deprimierend. Wenn ich doch mehr wie
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