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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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zusammengebissenen Zähne, während er sich mit überkreuzten Beinen am Feuer niederließ. Sein ganzer Kopf pochte. »Das ist einfach nur Quatsch!«
    »Was ist Quatsch?«, gurgelte Tul Duru, und Blut quoll aus seiner durchgeschnittenen Kehle, als er sprach.
    »Das alles hier. Gesichter aus der Vergangenheit, die bedeutungsvolle Sprüche klopfen. Ist ein bisschen offensichtlich, oder nicht? Ist euch nichts Besseres eingefallen?«
    »Hm«, brummte Grimm.
    Der Schwarze Dow sah ein wenig verärgert aus. »Gib nicht uns die Schuld, Junge. Ist schließlich dein Traum, oder nicht? Hast du dir die Haare abgeschnitten?«
    Der Hundsmann zuckte die Achseln. »Wenn du bisschen klüger wärst, hättest du vielleicht auch bessere Träume.«
    Er fühlte, wie er von hinten gepackt wurde, und sein Gesicht fuhr herum. Der Blutige Neuner stand hinter ihm, das Haar klebte ihm blutdurchtränkt am Kopf, und das zernarbte Gesicht war mit Schwarz durchsetzt. »Wenn du klüger wärst, hättste dir vielleicht auch nicht das Auge rausbrennen lassen.« Damit drückte er seinen Daumen in Espes Auge, tiefer und tiefer. Espe schlug um sich, zuckte und schrie, aber es gab keinen Ausweg. Es war bereits geschehen.
     
    Natürlich erwachte er schreiend. Das tat er inzwischen immer. Man konnte es beinahe keinen Schrei mehr nennen, denn von seiner Stimme war nur noch ein knirschender Rest übrig, wie Schotter in seiner rauen Kehle.
    Es war dunkel. Schmerz riss an seinem Gesicht wie ein Wolf an einem Kadaver. Er befreite sich aus den Decken, schlug um sich und drehte sich ins Nichts. Als sei das brennende Eisen noch gegen sein Gesicht gedrückt. Er prallte gegen die Wand und sank auf die Knie. Beugte sich vor, presste sich die Hände gegen denen Kopf, als ob er seinen Schädel so davor bewahren könnte, zu zerspringen. Wiegte sich vor und zurück, jeder Muskel bis zum Zerreißen gespannt. Er stöhnte und keuchte, winselte und fauchte, spuckte und blubberte, sabberte und quatschte vor sich hin, völlig durchgedreht und ohne Verstand. Anfassen, festhalten, drücken. Er presste seine bebenden Finger auf den Verband.
    »Pssst.« Er spürte eine Hand. Monza, die an seinem Gesicht herumtatschte und sein Haar zurückschob.
    Dort, wo sein Auge gewesen war, spaltete ihm ein Schmerz den Kopf, als fahre eine Axt durch ein Holzscheit, spaltete auch seinen Verstand, knackte ihn auf wie eine Nuss, und die Gedanken quollen als wirres Durcheinander heraus. »Bei den Toten … mach, dass es aufhört … Scheiße, Scheiße.« Er packte ihre Hand, und sie zuckte zusammen und keuchte. Es kümmerte ihn nicht. »Töte mich! Töte mich. Mach nur, dass es aufhört.« Er war sich nicht einmal sicher, in welcher Sprache er redete. »Töte mich. Bei den …« Er schluchzte, und Tränen brannten in dem Auge, das ihm noch geblieben war. Sie zog die Hand weg, und er wiegte sich wieder hin und her, hin und her, und der Schmerz fuhr durch sein Gesicht wie eine Säge durch einen Baumstumpf. Er hatte doch versucht, ein guter Mensch zu werden, oder nicht?
    »Ich habe es versucht, ich habe es verdammt noch mal versucht. Mach, dass es aufhört … bitte, bitte, bitte, bitte …«
    »Hier.« Er packte die Pfeife und saugte daran, so gierig wie ein Säufer an der Flasche. Dabei merkte er kaum, wie sehr der Rauch kratzte, er zog so lange Luft ein, bis seine Lunge ganz gefüllt war, und währenddessen hielt sie ihn fest, die Arme um ihn geschlungen, und schaukelte ihn hin und her. Die Dunkelheit war nun voller Farben. Überall schimmernde Streifen. Der Schmerz rückte einen Schritt weiter weg und drängte nicht mehr direkt gegen ihn. Sein Atem war zu einem sanften Wimmern geworden und der schmerzende Körper wie weggespült.
    Sie half ihm auf, zog ihn auf die Beine, und die Pfeife fiel aus seiner schlaffen Hand. Das offene Fenster schwang hin und her, ein Bild aus einer anderen Welt. Vielleicht auch eine Hölle. Rote und gelbe Feuerflecken hinterließen lange Pinselstriche im Dunkel. Das Bett kam auf ihn zu und verschluckte ihn, saugte ihn ein. Sein Gesicht pochte immer noch und pulsierte mit dumpfem Schmerz. Er erinnerte sich, erinnerte sich, wieso.
    »Die Toten …«, flüsterte er, und Tränen liefen die andere Wange hinab. »Mein Auge. Sie haben mir das Auge ausgebrannt.«
    »Pssst«, flüsterte sie und streichelte die unverletzte Seite seines Gesichts. »Ganz ruhig, Caul, ganz ruhig.«
    Die Dunkelheit griff nach ihm, hüllte ihn ein. Bevor sie ihn verschlang, wickelte er sich ihr Haar

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