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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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ungeschickt um die Finger und zog ihr Gesicht an seines, beinahe so nahe, dass sie seinen Verband hätte küssen können.
    »Es hätte dich treffen sollen«, flüsterte er ihr zu. »Es hätte dich treffen sollen.«

DIE RECHNUNGEN ANDERER
    Das ist seine Höhle«, sagte der Kleine mit dem Geschwür auf der Wange. »Sajaams Höhle.«
    Eine fleckige Tür in einer fleckigen Wand, zugekleistert mit alten Plakaten, auf denen die Mitglieder des Achterbunds als Schurken, Thronräuber und gemeine Verbrecher verunglimpft wurden. Von jedem der Blätter starrten zwei karikierte Gesichter, ein aufgedunsener Herzog Salier und ein überheblicher Herzog Rogont. Zwei lebendige gemeine Verbrecher, die selbst beinahe schon als Karikaturen durchgegangen wären, standen neben der Tür, einer mit dunkler Haut und einer mit einer dicken Tätowierung am Arm. Sie ließen beide einen gleichermaßen finsteren Blick über die Straße schweifen.
    »Vielen Dank, meine Kinder. Und nun holt euch was zu essen.« Schenkt legte einen Waag in jede der klebrigen Hände. Angesichts der ungeheuren Summe starrten ihn zwölf Augenpaare aus dreckverschmierten Gesichtern groß an. In ein paar Tagen und erst recht in ein paar Jahren würde es sich erwiesen haben, dass er ihnen damit keinen Gefallen getan hatte. Sie waren die Bettler, Diebe, Huren, die jungen Toten der Zukunft. Aber Schenkt hatte in seinem Leben viel Unheil angerichtet, und daher versuchte er immer, wenn es in seiner Macht stand, freundlich zu sein. Damit konnte er nichts wiedergutmachen, das wusste er. Aber vielleicht konnte er die großen Waagschalen des Lebens mit einer Münze ein wenig zu einer anderen Seite neigen, und eines der Kinder würde verschont werden. Wenn auch nur eines davonkam, war das allein schon eine gute Tat.
    Er summte leise vor sich hin, während er die Straße überquerte. Die beiden Männer an der Tür beobachteten jeden Schritt mit finsterem Gesicht. »Ich bin hier, um mit Sajaam zu sprechen.«
    »Bewaffnet?«
    »Immer.« Er und der dunkelhäutige Wächter starrten sich kurz an. »Meine scharfe Zunge könnte jederzeit zuschlagen.« Keiner der beiden lächelte, aber das hatte Schenkt auch nicht erwartet, und davon abgesehen war ihm das auch ziemlich egal.
    »Was hast du mit Sajaam zu besprechen?«
    »Bist du Sajaam? Damit werde ich die Partie jedenfalls eröffnen.«
    »Willst du uns hier zum Narren halten, Kleiner?« Der Wächter legte eine Hand auf den Streitkolben, der an seinem Gürtel hing, und war ganz offensichtlich davon überzeugt, dass diese Geste höchst einschüchternd wirkte.
    »Das würde ich nicht wagen. Ich bin hier, um mich zu amüsieren, und ich habe auch das Geld dazu, sonst nichts.«
    »Vielleicht hast du doch an die richtige Tür geklopft. Los, mitkommen.«
    Er führte Schenkt durch einen warmen, düsteren Raum, in dem öliger Rauch und tiefe Schatten herumwaberten. Lampen aus farbigem Glas beleuchteten ihn blau, grün, orange, rot. Spreuraucher lagen überall ausgestreckt, und über ihre blassen Gesichter flackerte ein verzerrtes Lächeln, wenn sie nicht schlaff und ausdruckslos vor sich hin starrten. Schenkt merkte, dass er wieder vor sich hin summte, und gebot sich Einhalt.
    Ein speckiger Vorhang gab ein großes Hinterzimmer frei, das nach ungewaschenen Körpern, Rauch und Erbrochenem, nach verdorbenem Essen und verdorbenem Leben roch. Ein am ganzen Körper tätowierter Mann saß im Schneidersitz auf einem schweißfleckigen Kissen, und hinter ihm lehnte eine Axt. Ein anderer Mann saß an der Wand gegenüber und machte sich mit einem Messer über ein eklig aussehendes Stück Fleisch her, den gespannten Flachbogen neben dem Teller. Über seinem Kopf hing eine hässliche alte Uhr, deren Zahnrädchen an der Unterseite heraushingen wie die Eingeweide aus einem aufgeschlitzten Leichnam, und das Pendel schwang – tick, tock, tick – hin und her.
    Auf einem langen Tisch in der Mitte des Raumes lagen die Utensilien für eine Kartenrunde. Münzen und Gewinnmarken, Flaschen und Gläser, Pfeifen und Kerzen. Männer, sechs an der Zahl, saßen darum herum. Rechts von Schenkt ein dicker Mann, links ein ausgemergelter, der seinem Tischnachbarn gerade stotternd einen Witz erzählte.
    »… und er hat sie gef…, gef…, gefickt!«
    Hartes Gelächter, harte Gesichter, billiges Leben aus billigem Rauch, billigem Fusel, billiger Gewalt. Schenkts Führer ging zum Kopf des Tisches und beugte sich hinab, um mit einem breitschultrigen, schwarzhäutigen, weißhaarigen

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