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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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… nun … eine schreckliche Sache. So ist nun einmal der Krieg, so ist der Krieg. Hauptmann Langrier sagte mir, Sie seien zu siebt gewesen. Die blonde Frau mit dem Kindergesicht ist bei uns, ebenso wie Ihr Leibwächter, dieser stille Kerl, der die talinesischen Uniformen mitbrachte und offenbar seit dem Morgengrauen jedes Stück in meinen Speisekammern gezählt hat. Allerdings bedarf es nicht einmal seiner unheimlichen Begabung für Zahlen, um sich auszurechnen, dass noch immer zwei von Ihrer Gruppe … fehlen.«
    »Unser Giftmischer und unsere Folterspezialistin«, sagte Cosca. »Das ist wirklich eine Schande, man findet so schwer gute Leute.«
    »Eine nette Gesellschaft, die Sie um sich geschart haben.«
    »Harte Aufgaben erfordern harte Männer und Frauen. Die beiden werden Visserine inzwischen längst verlassen haben, vermute ich.« Wenn sie auch nur einen Hauch gesunden Menschenverstand besaßen, dann bemühten sie sich gerade, nicht nur Visserine, sondern ganz Styrien hinter sich zu lassen, und Cosca konnte es ihnen nicht verübeln.
    »Man hat Sie im Stich gelassen, wie?« Salier stieß ein leises Grunzen aus. »Das Gefühl kenne ich. Meine Verbündeten haben mich verlassen, meine Soldaten, mein Volk. Ich bin am Boden zerstört. Nur meine Gemälde spenden mir noch Trost.« Er deutete mit einem dicken Finger zu einem breiten Durchgang hinüber, dessen schwere Türen offen standen und helles Sonnenlicht hindurchließen.
    Coscas geübtes Auge erkannte eine tiefe Rille im Mauerwerk, und in einem breiten Schlitz in der Decke schimmerten Metallspitzen. Ein Fallgitter, wenn er sich nicht sehr täuschte. »Ihre Sammlung ist sehr gut bewacht.«
    »Natürlich. Es ist die wertvollste in ganz Styrien, und es hat lange Jahre gebraucht, sie aufzubauen. Mein Urgroßvater hat bereits damit begonnen.« Salier führte sie in einen langen Korridor, über dessen Mitte ein langer, mit Goldfäden eingefasster Teppich lief, während an den Seiten vielfarbiger Marmor im Licht der großen Fenster schimmerte. Eine lange Prozession großer, düsterer Gemälde nahm die gegenüberliegende Wand ein; ihre vergoldeten Rahmen glitzerten.
    »Dieser Saal ist natürlich den Herrschern von Midderland gewidmet«, erklärte Salier. Der kahle Zoller sah verächtlich aus einem Porträt herab, daneben prangten die Könige der Union – Harod, Arnault, Kasamir und einige andere. Sie sahen so selbstzufrieden aus, dass man hätte glauben können, sie beherrschten die Kunst, flüssiges Gold zu scheißen. Salier blieb kurz vor einem übergroßen Ölgemälde stehen, das Juvens’ Tod zeigte. Eine winzige, blutende Gestalt, verloren in einem unendlich großen Wald; Blitze zuckten über eine tief hängende Wolkendecke. »Eine herrliche Pinselführung. Eine herrliche Farbgebung, nicht wahr, Cosca?«
    »Faszinierend.« Ein Pinselstrich sah für ihn ziemlich wie der andere aus.
    »Wie viele glückliche Tage habe ich hier verbracht, versunken in der Betrachtung dieser wundervollen Werke, und habe nach der verborgenen Bedeutung gesucht, die die alten Meister darin eingebettet haben.« Cosca sah mit erhobenen Brauen zu Monza hinüber. Wenn der Herzog mehr Zeit mit dem Studium von Kriegsstrategien und weniger mit toten Malern verbracht hätte, wäre die Lage in Styrien möglicherweise weniger aussichtslos gewesen.
    »Skulpturen aus dem Alten Kaiserreich«, erklärte Salier, als sie durch einen breiten Torbogen schritten und in eine zweite Galerie traten, die auf beiden Seiten mit antiken Statuen flankiert wurde. »Sie würden mir nicht glauben, was es kostet, sie aus Calcis hierher verschiffen zu lassen.« Helden, Kaiser, Götter. Ihre fehlenden Nasen und Arme, die Kerben und Löcher in ihren Körpern verliehen ihnen den Ausdruck verwundeten Staunens. Die vergessenen Sieger von vor zehn Jahrhunderten, jetzt nur noch verwirrte Versehrte. Wo bin ich? Und verdammt noch mal, wo sind meine Arme?
    »Ich habe mich gefragt, was ich tun soll«, sagte Salier unvermittelt, »und würde Ihre Meinung sehr zu schätzen wissen, Generalin Murcatto. Sie sind in ganz Styrien und darüber hinaus für Ihre Unbarmherzigkeit, Entschlossenheit und Ihre Energie bekannt. Entschlussfreudigkeit war nie meine große Stärke. Es lenkt mich stets zu sehr ab, über die Verluste nachzudenken, die eine bestimmte Handlungsweise mit sich bringen könnte. Ich betrachte sehnsüchtig all jene Türen, die damit zugeschlagen werden, anstatt mich auf die neuen Möglichkeiten zu konzentrieren, die sich

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