Rachel ist süß (German Edition)
sprechen wollte. Nicht über die Angst, nicht mehr dazu zu gehören, über die Panik, anders zu sein. „Lass uns ins Kino gehen, ich möchte mit dir zusammen Popcorn essen.“
„Aus einer Tüte?“ Kais Augen ließen die harmlose Frage zu einem anzüglichen Angebot werden.
„Aus einer Tüte, mit klebrigen Fingern.“ Ingas Tonfall stand Kais in nichts nach. Sie standen beide auf dem sonnigen Weg und sahen sich an.
„Ich möchte Popcorn und Kino und heute Nacht möchte ich mit dir schlafen.“ Kai blieb ihrem Weg, das was sie fühlte einfach zu sagen, treu. Es gab nichts in ihrem Leben, das Inga mit diesem Augenblick in der Sonne vergleichen konnte. Nie hatten sie so viel Glück und Aufregung, Hingabe und Angst gleichzeitig erfüllt. Sie fühlte sich wie ein weiches Tuch, das sich von anderen weichen Tüchern umgeben in der Trommel einer mystischen Waschmaschine drehte. Alles war warm und weich und nass und das stete Drehen war Taumel und Traum. Nichts ließ sich hier drinnen aufhalten und die Welt draußen hatte einen anderen Rhythmus, der sie nicht betraf. „Küss mich.“ Sagte sie und sah Kai tief in die Augen. „Hier?“, fragte die, während sich ihr Mund schon Ingas näherte. „Genau hier“, antwortete Inga und ihre Zunge strich schon beim nächsten Wort über Kais Mund. „Und hier. Und hier. Und hier.“
Inga wusste nach dem Kinobesuch nicht mehr wirklich, worum es in der Komödie, die sie ausgesucht hatten, gegangen war. Sie hatte versucht, dem fröhlichen Paar auf der großen Leinwand so viel Aufmerksamkeit wie möglich zu schenken und sich dabei ganz auf das Gefühl konzentriert, Kai in der Dunkelheit jederzeit berühren zu dürfen. Und zu wollen. Sie war immer wieder überrascht, wie viele Ausreden ihre Hände fanden, um in die Nähe von Kais Haut zu gelangen. Ich war einfach schon länger nicht mehr verliebt, versuchte sie sich einzureden und wusste doch, dass sie noch nie vorher so gefühlt hatte. Die Trommel, in der sie sich wohlig drehte, wurde schneller und ihr wurde langsam schwindelig.
Am Abend beschloss Kai zu duschen und Inga folgte ihr mit wild klopfendem Herzen nackt unter den warmen Strahl des Wassers. Du hast keine Angst, dachte sie, ich liebe das an dir. Kai seifte sie ohne Scheu langsam ein und Inga drängte ihren Schaumkörper an die nasse glatte lachende Frau und sie wurden zwei warme, glitschige Schaumtiere, die sich in ihrer vergänglichen Hülle aus Seifenblasen sicher und geborgen fühlten. Zum ersten Mal ließ Inga ihre Hände auf Kais Brüsten ruhen und konnte sich an dem Bild nicht satt sehen. „Wie schön du bist“, sagte sie und strich über die dunklen Brustwarzen wie über kostbare Edelsteine.
Alles flog jetzt immer schneller an Inga vorbei. Die nächste Nacht, in der sie sich suchten und fanden und sich liebten mit einer Ruhe, die Inga fast um den Rest ihres Verstandes brachte. Sie fühlte Kai unter ihren Fingern kommen, fühlte ihre eigene Erregung und war in diesem Moment so mächtig, als hielte sie das Geschick der Welt in der Hand. „Ich liebe dich“, stieß Kai hervor und Inga konnte nicht antworten, weil ihr Tränen den Hals verschlossen.
Am Sonntagmorgen schlich sie sich aus Kais Umarmung und setzte sich in einen Bademantel gewickelt in die Küche. Morgen geht sie zurück in ihre Stadt und dann ist das hier vorbei, dachte sie. Christian kommt bald und ich heirate und diese Erfahrung wird die einzige dieser Art bleiben. Sie fühlte sich kalt und allein und wäre am liebsten in Kais Arme zurückgekehrt, um sich wieder ganz zu fühlen. Was wäre, wenn du sie fragst, ob sie hier bleibt? Hier studiert? Mit dir lebt? Die Angst stieg so unerwartet schnell und so mächtig in ihr auf, dass sie sich an den Hals griff. Ich bin nicht so. Zum ersten Mal machte sie sich richtig klar, dass das, was sie für Kai fühlte und was sie mit ihr tat, einen Namen hatte. Einen schrecklichen Namen, wie sie fand. Das waren nicht Kai und sie in diesem zischenden Wort, das sich gar nicht anders als schlangenartig aus den Mündern schleichen konnte. Das ihr schon immer bedrohlicher als andere Begriffe vorgekommen war. Warum müssen Lesben eigentlich immer so unattraktiv sein, hatte noch kürzlich ein Kollege auf einem Konzert gefragt und spöttisch auf zwei kurzhaarige Frauen gedeutet, die Arm in Arm der Musik gelauscht hatten. Als die beiden sich geküsst hatten, hatte der Kollege sich demonstrativ abgewandt und mit einer anderen Freundin getuschelt.
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