Rachel ist süß (German Edition)
Weg auf diese weichen Wangen, von denen sie so oft geträumt hatte. Sie fing Kais Tränen mit ihrem Daumen auf und strich sie über die Wangenknochen zum Ansatz der dunklen Haare. Kai sah sie an und ihre nassen Augen ließen aus dem Blick eine Bitte werden, die Inga erfüllte. Sie beugte sich vor und ihr Mund fing die Tränen auf, die ihren Händen entkamen. Kai lehnte sich ihr entgegen und sie fühlte die weiche Haut an ihrer eigenen Wange. „Küsst du mich, bitte“, flüsterte Kai mit einem Tonfall, der Inga wie ein rot glühender Lavastrom vom Ohr durch den ganzen Körper lief. Sie fühlte sich warm und stark und stolz, wie ein Eroberer, der zum ersten Mal ein neues Land betritt. „Ich habe noch nie eine Frau geküsst“, flüsterte sie und küsste Kais Lippen zuerst ganz leicht und suchend und wartete auf die Reaktion. „Ich auch nicht“, antwortete Kai und folgte mit ihrem Mund den Lippen, die sich nicht weit entfernt hatten. Die nächste Berührung war schon mehr Verschmelzen als Berühren, war schon mehr Erforschen als Suchen. Sie fühlten und schmeckten sich in diesen fremden anderen Mund, als hätten sie nie etwas anderes getan. Inga fühlte eine weite Erregung, die sie so nicht kannte. Jede Zelle in ihrem Körper schien gleichzeitig in die Mitte und nach außen zu streben, schien sich zu dehnen und zu pulsieren. Sie kannte nur die zielstrebige Lust, die sie überkam, wenn Christian sie berührte. Sein Körper passte mit ihrem zusammen, das machte ihn praktisch und uninteressant. Was gab es da zu erforschen? Was gab es zu experimentieren. Kais Mund allein und ihre Lippen hielten sie in diesen ersten Stunden komplett gefangen. Jede neue Bewegung ihrer Zungen löste Gefühle aus, die sie nicht erwartet hatte. Nichts war planbar, nichts war sicher. Sie stand nicht allein auf der steilen Abfahrt, die sie sonst möglichst schnell ihrem Ziel entgegen brachte, sondern sie stand gemeinsam mit Kai auf einer unendlichen Ebene, die sie in jede Richtung erforschen wollten.
„Du bist wunderbar“, flüsterte Kai ihr nach einigen Stunden mit rauen Lippen in den Mund. „Ich könnte dich für den Rest meines Lebens so küssen.“ Die Erwähnung des Lebens, das da draußen ahnungslos weiterging, versetzte Inga einen heftigen Stich, aber sie verdrängte die Angst. Nicht heute Nacht, dachte sie und versenkte sich noch tiefer in der feuchten, aufregenden Welt, die Kais Mund für sie geworden war.
Irgendwann schob sich ein zaghafter Streifen Helligkeit in das Zimmer und Inga löste sich aus einem der langen Küsse und sah in Kais Augen, die im ersten Licht des Morgens funkelten. „Du bist unglaublich“, sagte sie, obwohl sie das auch schon mindestens zwanzig Mal vorher gesagt hatte. „Ich beginne dir zu glauben“, flüsterte Kai und ihr Körper berührte Inga auf der ganzen Länge. „Hast du schon jemals eine ganze Nacht mit Küssen verbracht? Angezogen?“
„Nein“, Inga musste lächeln. „Ich habe überhaupt noch nie eine Nacht wie diese verbracht.“ Obwohl sie beide nach wie vor noch mit T-Shirts und Slips bekleidet waren, fühlte sie eine Intimität und Nähe, die sie trunken machte. Alles mit Kai hatte sein eigenes, wunderbares Tempo, es würde wahrscheinlich ein Leben lang dauern, sie ganz zu ergründen. Ein schneller Schmerz durchfuhr sie, aber Kais Mund, der sich schon wieder über ihren legte, heilte die kleine Wunde sofort. Nicht jetzt, dachte sie, nicht schon jetzt.
Am sehr späten Morgen saßen sie sich mit zu glänzenden Augen und zu roten Mündern in Ingas Lieblingslokal am See gegenüber. Kai aß mit großem Appetit und immer, wenn sie sich ansahen, lag in ihrem Blick so viel ungezähmte Liebe, dass es Inga schwindelig wurde. Inga fielen unzählige Liedtexte ein, die sie am liebsten laut gesungen hätte. She may be the mirror of my dreams. A smile reflected in a stream. Es war Sommer, zum ersten Mal im Leben. Auf dem Weg zum Auto zurück nahm Kai ganz selbstverständlich ihre Hand und ihre Finger flochten sich in Ingas.
„Das geht nicht.“ Inga zog ihre Hand ruckartig zurück.
Kai sah sie verletzt an. „Warum kann ich deine Hand nicht halten? Schämst du dich?“
„Quatsch!“ Inga zog sie kurz an sich. „Es ist nur wegen der Schule, die müssen sich ja nun nicht zuviel Gedanken über mein Privatleben machen, und einige der Kollegen gehen hier gerne mal spazieren.“ Sie wusste, dass das nur ein kleiner Teil der Wahrheit war und dass sie über den Rest nicht
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