Rachel ist süß (German Edition)
Augenblick dafür.
„Und dann?“ Kais Augen füllten sich mit den Tränen, die hinter Ingas Augen lauerten. „Dann ist es erst morgen zu Ende? Dann vergisst du mich erst morgen? Und heute tust du noch so, als ob du mich liebst? Und heute glaube ich noch, dass wir beide eine Zukunft haben?“
„Du machst es alles so schwer.“ Inga schwankte zwischen Wut und Verzweiflung.
„Nein“, sagte Kai, „ich mache es leicht. Ich liebe dich. Ich will dich. Und ich würde alles versuchen, um mit dir leben zu können. Wenn du das auch versuchen willst, lass es mich wissen.“ Sie nahm ihre Sachen und ging zur Tür. „Keine Sorge übrigens, von mir erfährt Christian nichts über deine Eskapaden.“ Dann öffnete sie die Tür und war verschwunden.
Inga wusste später nicht mehr genau, wie sie diese ersten Stunden, Tage und Wochen nach Kais Abreise überstanden hatte. Sie hatte regungslos in einer Zeit gestanden, die vorbeigejagt war, und zwischen Menschen, die handelten. Christian hatte am nächsten Tag angerufen und ihr freudig von seinem Telefongespräch mit Kai erzählt. „Sie lässt dich grüßen und hat sich noch mal bei mir für alles bedankt. Der kurze Ausflug in der Großstadt hat ihr wohl echt gut getan, sie denkt darüber nach, im Ausland zu studieren.“ Inga nahm die Worte hin wie Peitschenhiebe und sie war froh, dass Christian nicht sehen konnte, wie ihr bei jedem Schlag die Haut über dem Herzen riss. Ich kann das nicht, dachte sie in der ersten Nacht, die sie zwei Wochen später wieder mit Christian verbrachte. Ich will das nicht, dachte sie, als er am ersten Ferientag freudestrahlend seine letzten Sachen in den neuen gemeinsamen Schrank räumte. Aber sie schwieg und Christian bemerkte nichts von dem Bürgerkrieg, der sich in ihrem Inneren abspielte. Manchmal in irgendwelchen zu wachen, zu unruhigen, zu frühen Morgenstunden war sie kurz davor, Christian zu wecken und ihm alles zu erzählen. Wenn es nicht ausgerechnet Kai gewesen wäre, seine Kai, dann hätte sie es vielleicht in einem schwachen Moment sogar getan. So aber vergrub sie ihre Zweifel tiefer und tiefer. Sie hatte sehr schnell begriffen, dass ihre Kraft eine äußerst begrenzte Ressource war, die nicht reichen würde, wenn sie Kais Stimme hörte. Wenn Christian am Telefon mit Kai sprach, schob sie immer eine Beschäftigung vor, die sie auf keinen Fall unterbrechen konnte, und ließ ihr Grüße ausrichten. Einmal hielt er ihr den Hörer ans Ohr, ohne ihr zu verraten, wer am anderen Ende war. Als sie die vertraute Stimme hörte, krampfte sich ihr Magen so schmerzhaft zusammen, dass sie sich am späten Abend übergeben musste. Sie wusste nicht mehr, was sie beide gesagt hatten, bevor sie den Hörer eilig weitergab. In ihrer Erinnerung kamen die wenigen Worte wie kleine Pfeile durch den Äther geflogen und bohrten sich schmerzhaft in ihren Kopf. Kai, hatte ihr ganzer Körper geschrieen und sie hatte sich für zwei Tage krank melden müssen.
Dann war Christian mit der freudigen Nachricht von Kais gelungener Bewerbung um einen Studienplatz in den USA nach Hause gekommen und sie hatte die große Entfernung zwischen ihnen wie eine klaffende Wunde gespürt. Kurze Zeit später hatte sie Christian in einem Taumel von Unglück und Entschlossenheit geheiratet, den alle Gäste für das Gesicht der wahren Liebe hielten. Ihr würdet die Liebe doch nicht einmal erkennen, wenn sie euch umrennt, dachte sie und hasste sich gleichzeitig dafür. Und dann hatte Christian eines Tages nach einem Brief von Kai sehr unglücklich und verwirrt ausgesehen und war einige Abende sehr still gewesen. Am Ende hatte er lange mit Kai telefoniert und sich dann zu Inga gesetzt um seine Gedanken mit ihr zu besprechen. „Sie hat sich verliebt“, hatte er leise gesagt und seine Sorge war ihm anzusehen gewesen. Ingas Herz hatte zu schlagen aufgehört und ihr Blut hatte ziellos in den Adern verharrt, bis er weitersprach. Dann war es in ihrem Körper herum gerast, als wunderte es sich, dass da keine frisch geschnittene Öffnung war, aus der es in die Freiheit spritzen konnte. „Sie hat sich in eine Frau verliebt, eine Frau in meinem Alter, eine Dozentin. Ich war sehr überrascht, ich habe nicht gewusst, dass das für sie ein Thema ist. Wusstest du es?“ Er hatte sie angesehen und sie hatte es geschafft, ihren Blick ruhig zu halten und nur sehr wenig zu lügen. „Sie hat mit mir nicht viel über solche Sachen gesprochen.“
„Ich habe ein bisschen Angst,
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