Rachel ist süß (German Edition)
vorbei.“ Kai schloss die Augen.
„Was ist passiert?“ Inga konnte sich nicht entscheiden, ob sie Kai mit geschlossenen oder offenen Augen attraktiver fand.
„Es war nicht wirklich die große Liebe. Wir waren eben zusammen und dann war es einfach vorbei, so wie die Schule einfach vorbei war.“ Kais Wimpern lagen vollkommen ruhig auf der leicht durchscheinenden Haut unter ihren Augen. Inga wurde wieder schwindelig. „Glaubst du denn an die große Liebe?“ Kai öffnete ihre Augen und sah sie sanft und durchdringend an. „Ja“, sagte sie dann einfach und schlief wieder ein.
Am Montagabend fand Kai Inga vor der flachen Luftmatratze im Arbeitszimmer kniend. „Ich habe keine Ahnung, wo dieses verdammte Loch ist und ich habe keine Lust, es herauszufinden. Da du dich in der letzten Nacht hervorragend benommen hast, würde ich vorschlagen, dass du den Rest der Woche auch in meinem Bett verbringst.“ Inga hörte sich den Satz sagen und ihr wurde bei dem Gedanken unsagbar heiß. Den Rest der Woche mit Kai im Bett verbringen … Kai grinste und trug ihre Tasche in Ingas Schlafzimmer. „Im Angesicht von so viel Altruismus gelobe ich, mich auch weiter ordentlich zu benehmen“, rief sie Inga zu, die immer noch neben der Luftmatratze kniete. Das muss für uns beide reichen, dachte Inga und fühlte, wie die Angst und die Lust mit breitem Grinsen auf ihrer Brust miteinander rangen.
Die restlichen Tage in dieser Woche verbrachte Inga mit einer Mischung aus wilden Fantasien, in denen Kais Hände eine große Rolle spielten, und intensiven Schuldgefühlen. Ihr war mittlerweile klar, dass die Anziehung, die sie spürte, durchaus eine sexuelle Seite hatte, aber sie hatte beschlossen, das natürlich zu finden. An ihr war nichts unnatürlich, und deshalb mussten diese Gefühle ein unbekannter Seitenzweig ihrer völlig normalen Sexualität sein. Vielleicht wollte sie einfach nur noch einmal etwas Verbotenes ausprobieren, bevor sie in den ruhigen Hafen der Ehe einlief, sagte sie sich. Sie würde es natürlich nicht tun, und wenn sie es tun würde, würde es ihr natürlich nicht gefallen und sie würde auch nicht wissen, was eigentlich zu tun war, weshalb sie es auch gar nicht tun konnte. Außerdem war Kai neunzehn und unerfahren und sie war zweiunddreißig und verlobt. Es war zwar Sommer, aber das hier war kein Lied von Peter Maffay. Ihre Kollegen mussten sie zweimal darauf aufmerksam machen, dass sie mit leerem Blick im Flur zum Pausenhof stand und leise summte.
Kai schien das neue Schlafarrangement in keiner Weise zu berühren, sie bot Inga sogar abends im Bett an, ihr die verspannten Schultern zu massieren, was diese entsetzt ablehnte. Ansonsten redeten sie jetzt noch mehr und länger als vorher und jede schien die Lebensgeschichte der anderen in sich aufsaugen zu wollen. In vielen Dingen waren sie sich ähnlich und da, wo sie unterschiedlich waren, war es genau der Unterschied, der die andere noch interessanter machte. Ohne es zu verabreden, hatte Inga Christian am Telefon nichts von Kais Umzug in ihr Bett erzählt und auch Kai hatte diese Neuigkeit im Gespräch mit ihm ganz offensichtlich vergessen.
An dem Freitag, der Kais letztes Wochenende einläutete, lag eine CD-Hülle mit einer großen roten Schleife verziert auf Ingas Kissen, als sie am Nachmittag einen Krimi vom Nachttisch holen wollte. Ein Abschiedsgeschenk offensichtlich. Inga war gar nicht mehr von dem Schmerz überrascht, der sich in ihr wie flüssiges Feuer ausbreitete. Sie hatte auch schon überlegt, was sie Kai zum Abschied schenken konnte und schließlich ein Foto, das Christian an ihrem allerersten gemeinsamen Abend von Kai und ihr geschossen hatte, entwickeln und vergrößern lassen. Beide hatte die Köpfe am Ende dieses Abends auf Christians Anweisung eng aneinander gelegt und ihr Lachen auf dem Bild wirkte wider Erwarten vollkommen gelöst. Jetzt lag es schon seit Mittwoch gerahmt, verpackt und ebenfalls mit einer roten Schleife versehen in ihrer Schreibtischschublade. Wir haben in so vielen Dingen einen ähnlichen Geschmack, dachte sie und schob die silberne Scheibe in den tragbaren Player auf ihrem Nachttisch. She, sang Charles Aznavour,
May be the face I can’t forget,
A trace of pleasure or regret,
May be my treasure or the price I have to pay.
She may be the song that summer sings,
May be the chill that autumn brings,
May be a hundred tearful things.
Within the measure of the
Weitere Kostenlose Bücher