Rachel ist süß (German Edition)
Anwesenden. „mag sein, dass sie andere Einnahmequellen hat.“ Er machte eine andeutungsschwangere Kunstpause. „Mit gleitender Arbeitszeit!“
Kendra stützte die Hände auf den Schreibtisch und erhob sich. Langsam und ohne den Blick zu senken, ging sie auf den immer noch grinsenden Mann zu. Als sie so dicht vor ihm stand, dass sie seinen unappetitlichen Atem riechen konnte, schloss sie die Augen und ließ eine Welle der Scham über ihn fahren.
Der Chefredakteur weitete schwitzend seinen Hemdkragen, trat einen Schritt zurück und deutete auf die unbeweglich stehende Frau.
„Die spinnt doch! Was habe ich euch gesagt, total verrückt! Am besten, wir lassen sie sofort abholen, die ist doch ein Fall für die Klapsmühle. Spricht nicht, arbeitet nicht, fährt nachts ziellos durch die Stadt.“ Kendra schlug ruckartig die Augen auf.
Er lässt mich verfolgen.
„Verschwinden Sie, raus hier!“
Er machte ihr den Weg zur Tür übertrieben ausholend frei und sie ging ohne jede sichtbare Regung an ihm vorbei. Kurz vor der Tür blieb sie stehen und schlug mit der rechten Hand ein Zeichen in seine Richtung.
So als wollte sie ihn segnen.
Oder verfluchen.
Bis zum Einbruch der Dunkelheit kauerte Kendra hinter zugezogenen Vorhängen auf ihrem Bett. Zusammengerollt und mit geschlossenen Augen. Sie hatte keinen Mann mehr, sie hatte keinen Job mehr, sie hatte die meisten ihrer Freunde vergrault. Pessimistische Menschen würden diese Entwicklung sicherlich negativ bewerten.
Wind?
Rains Stimme streichelte durch ihr Bewusstsein.
Sie rollte sich enger zusammen und driftete in einen unruhigen Dämmerschlaf.
Sie sah Rain neben ihrem Bett sitzen, so klar und deutlich, wie sie sie in jener Nacht an der Theke gesehen hatte, und sie fühlte die Sehnsucht wie eine physische Kraft an sich ziehen. Konnte man jemanden lieben, den man nur ein einziges Mal gesehen hatte? Mit dem man nie ein Wort gewechselt hatte? Konnte man eine Frau lieben? Für einen Moment musste sie lächeln, wenn Männer das konnten, konnte sie es doch sicherlich besser.
Rain nahm ihre Hand und strich sanft die Linien der Innenfläche entlang. Ich bin dein Schicksal und du bist meines. Ich habe dich so lange gesucht.
Kendra entzog ihre Hand und betrachtete die Linien. Ich kann das nicht sehen. Rain hielt ihr die eigene Hand hin. Dann musst du wohl in meine schauen. Kendra ergriff die schöne Hand und ließ ihren Zeigefinger vorsichtig über die Innenfläche gleiten. Sie fühlte die Spuren, die sie zog, im ganzen Körper. Sieh mich an. Kendra hob die Augen und sah, wie sich der weiche Mund der schönen Frau langsam ihrem eigenen näherte. Komm endlich zu mir , sagte Rain so dicht vor ihren Lippen, dass sie sich flüchtig berührten. Du bist wie ich . Gewaltsam riss sich Kendra aus der Nähe und flüchtete in die entfernte Ecke des Bettes. Ich bin nicht wie du. Ich bin nicht wie ihr. Rain verschwand und Kendra warf sich mit einem Schmerzensschrei auf ihr Bett.
Rain schüttelte verzweifelt die tröstenden Hände der anderen von ihren Armen. Es ist dieser Beruf, ich sage es euch. Ich finde die Frau fürs Leben und sie hat natürlich nichts für Superheldinnen übrig. Sand drückte Rain mit sanfter Gewalt in den Stuhl zurück und umhüllte sie mit Bildern kraftvoller Ruhe.
Vielleicht ist sie nicht wie wir?
Sie ist wie wir, ich bin sicher.
Dir ist es doch auch nicht leicht gefallen. Rain ließ sich, vom Willen der anderen festgehalten, in die gemeinsame Erinnerung sinken. Unwillkürlich zuckte sie zusammen unter längst durchlittenen Schmerzen. Sie hatte fast vergessen, wie schwer es gewesen war. Da war diese Stimme gewesen und diese Träume Sie hatte sich versenkt, immer tiefer versenkt in die Chöre, die sie riefen, in diese Frauenstimmen, die ihr einen ungeahnten Weg wiesen. Wie ein riesiges Netz hatte sie plötzlich die unterschiedlichen Strömungen des Lebens wahrgenommen.
Starke Kräfte, die sie zu sich herangezogen hatte, um sich in sie einzuwickeln.
Dichter und dichter wie ein Kokon. Sie hatte in seinem Schutz die schmerzhafte Wahrheit der Veränderung zu ertragen gelernt. Kein Eigenheim, kein Ehemann, kein Vorgarten, den sie liebevoll pflegen würde. Sie war die kleine, unscheinbare Raupe gewesen, aber am Ende all ihrer Schmerzen würde der Triumph des Fliegens stehen, das hatte sie gewusst. Durch die feste Hülle ihres Kokons waren immer neue Möglichkeiten geströmt.
Weitere Kostenlose Bücher