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Rachel

Rachel

Titel: Rachel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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einzunehmen. Wenn es noch ein bisschen ausgleichende Gerechtigkeit in der Welt gab, hatte Miss June einen Berg ihrer berühmten Bisquits gebacken, die es häufig zum Essen gab. Trey liebte Bisquits über alles, und da er einen guten Hut und eine mögliche Ehefrau verloren hatte, weil er Guffy geholfen hatte, die Kutsche durch den Willow Creek zu bringen, hatte er sich doch wohl irgendeine Belohnung verdient.
    Ein gutes Essen bei Miss June war die beste Belohnung, die er sich im Augenblick vorstellen konnte.
     
    Rachel hatte die Nase gestrichen voll von diesem verdammten Pfingstrosen-Ableger, den sie auf dem Weg durch das halbe Land gehegt und gepflegt hatte. Ständig hatte sie darauf Acht geben müssen, dass das Ding nicht zerdrückt wurde, dass es nicht austrocknete und nicht in einem überfüllten Zug oder einer schäbigen Kutschstation unterwegs vergessen wurde. Sie hätte das elende Ding wahrscheinlich schon längst irgendwo aus dem Fenster geworfen, wenn Evangeline sich nicht so darauf gefreut hätte, eines Tages den Ableger einer Pfingstrose im Garten ihrer Ranch in Montana blühen zu sehen. Evangeline Wainwright, ihre beste und vertrauteste Freundin. Rachel konnte es kaum erwarten, sie nach all den Jahren endlich wieder zu sehen, ihr in die Augen zu schauen, um zu sehen, ob sich dort das gleiche Glück zeigte, das zwischen den Zeilen ihrer Briefe durchschimmerte.
    Rachel war davon überzeugt, dass kein Mensch auf Gottes Erdboden es mehr verdient hatte, eine glückliche, harmonische Ehe zu führen als Evangeline Keating Wainwright. Nicht dass Rachel persönlich an einer Ehe interessiert gewesen wäre. Es hatte einmal einen Mann gegeben, mit dem sie gerne vor den Traualtar getreten wäre, aber Langdon Pannell war tot, gefallen in diesem schrecklichen, sinnlosen Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd. Sie konnte nicht - und sie wollte nicht - noch einmal einen Menschen so tief lieben. Die Trauer über Mr. Pannells Tod hatte ihr fast das Herz zerrissen und sie beinahe um den Verstand gebracht. Abgesehen davon hatte sie sich ihm in der Nacht, bevor er ins Feld zog, hingegeben - und er hatte sich ihr im Gegenzug hingegeben. Es war ein spontaner unbekümmerter Entschluss gewesen und ihre Vereinigung, die Verbindung von Körper und Seele, war so erfüllend gewesen, dass Rachel schon allein die Vorstellung, neben einem anderen Mann zu liegen, wie Hohn empfand.
    Diese Gedanken gingen ihr durch den Kopf, während die Kutsche die letzten Meilen nach Springwater über einen holprigen Weg rumpelte, den man kaum als Straße bezeichnen konnte. Evangeline hatte in ihren Briefen erwähnt, dass Springwater ein aufstrebender Ort war und die Quelle der Ursprung des Willow Creek war.
    Rachel beobachtete ihre Retter, während sie ihren Gedanken nachhing. Da Trey Hargreaves neben der Kutsche her ritt, sah sie ihn immer wieder mal durchs Fenster. Er war ein gut aussehender Mann, ein bisschen verwegen vielleicht, mit seinen dunklen Haaren, die er im Nacken zusammengebunden hatte, und diesen quicklebendigen Augen. Seine Augen waren ihr sofort aufgefallen, denn solche Augen hatte sie noch nie gesehen.
    Entlang seines Wangenknochens zog sich eine längst verheilte Narbe hin und der Mann schien riesig zu sein. Jedenfalls kam es Rachel, die selbst klein und zierlich war, so vor, als sei er ebenso groß wie das Pferd, das er ritt. Sie hatte den Eindruck, als ob Ross und Reiter ein Kriegsdenkmal seien, das zu Leben erwacht war. Stolz und majestätisch - wie aus Bronze gegossen oder aus Stein gemeißelt.
    Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen, aber das Bild von Trey Hargreaves auf seinem Streitross stand weiter vor ihrem innere Auge. Sie spürte einen leichten Anflug von Panik in sich aufsteigen, denn in diesem Moment verblasste das Bild von Langdon, der in ihrer Erinnerung nur noch ein körper-und gesichtsloser Schatten war. Sie setzte sich kerzengerade auf und fixierte ihren Blick auf die gegenüber liegende Wand der Kutsche, an der jemand einen zerfledderten Zettel befestigt hatte, auf dem zu lesen war: Bereuet oder brennet in der Hölle! So spricht der Herr!
    »Verdammt«, murmelte Rachel und riss den Zettel von der Wand. Sie hatte den Spruch betrachtet, seit sie in Choteau mit einer planmäßigen Postkutsche angekommen und in diese Frachtkutsche umgestiegen war, die nicht einmal von Pferden, sondern von störrischen Maultieren gezogen wurde. Sie zerknitterte die Warnung und warf das Papierknäuel auf den Boden. Gütiger Himmel, sie

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