Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)
glauben, dass irgendjemand sich von ihrem elenden kleinen Balg den Appetit verderben lassen will. Kranke gehören in Krankenhäuser, nicht in Restaurants, hab ich gesagt.‹«
»Beschreiben Sie die Leute«, sagte Milo.
»Die waren so fünfunddreißig, vierzig«, sagte Veronese. »Gut angezogen.« Er sah weg.
»Noch was?«, fragte ich.
»Schwarz.«
»Da kam so ein Spruch wie ›Leute wie Sie‹ wahrscheinlich nicht gut an.«
»Ja«, sagte Veronese, »das war mies.«
»Hat Vita öfter rassistische Äußerungen getan?«
»Nein. Sie hasste jeden.« Er runzelte die Stirn. »Ich hätte sie am liebsten rausgeschmissen, doch sie ist bekannt dafür, dass sie sofort vor Gericht zieht, und ich muss mich sowieso anstrengen, um den Laden über Wasser zu halten. Das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist eine Klage.«
»Wen hat sie denn sonst so verklagt?«
»Ihren früheren Arbeitgeber, wegen einer Diskriminierungssache. Sie hat eine Abfindung bekommen, von der lebt sie jetzt.«
»Von wem wissen Sie das?«
»Von ihr selbst. Sie war ganz stolz darauf.«
»Zurück zu den Leuten, mit denen sie in Streit geriet. Fünfunddreißig bis vierzig, gut angezogen, schwarz. Was sonst noch?«
»Sie fuhren einen Mercedes. Keinen großen, so ein kleineres Kombi-Modell.« Veronese kratzte sich am Haaransatz. »Silber, glaub ich. Aber ich bin sicher, dass sie nichts damit zu tun haben.«
»Warum?«
»Woher hätten sie wissen sollen, wer Vita war und wo sie wohnt?«
»Vielleicht kannten sie sie ja schon vorher.«
»Danach hat es nicht ausgesehen«, sagte Veronese. »Ich meine, sie haben sich nicht mit Namen angeredet oder so.«
»Mit wem hat sich Vita sonst noch angelegt?«
»Sind ihr ja alle aus dem Weg gegangen.«
»Sie war bestimmt großzügig beim Trinkgeld, was?«
»Das soll wohl ein Witz sein? Oh ja, klar soll das ein Witz sein. Ein paar Cents war das höchste der Gefühle, und für alles, was ihr nicht passte, hat sie sofort was abgezogen. Und immer gleich dazugesagt, warum. Hedy hat darüber gelacht, sie arbeitet nur hier, um mir einen Gefallen zu tun, eigentlich singt sie in einer Band. Ich stehe hinter ihr und spiele Bass.« Er lächelte. »Ich mag es, sie von hinten anzuschauen.«
5
Wir fuhren zurück zum Tatort. Der Transporter der Pathologie war mit der Leiche weggefahren. Sakura und Flores waren noch bei der Arbeit, schabten und verdünnten Proben, tüteten ein, beschrifteten.
»Viele Abdrücke«, sagte Sakura, »finden sich genau an den Stellen, wo man sie auch erwartet. Nur der Türknauf ist sauber abgewischt. Auf den Handtüchern haben wir ein paar Haare gefunden, grau, identisch mit denen der Leiche. Auf den Handtüchern haben wir außerdem Blut gefunden – winzig kleine Flecken tief im Gewebe. Vielleicht haben wir Glück, und der Täter hat sich bei seiner OP verletzt.«
»Dein Wort in Gottes Ohr«, sagte Milo.
»Der Abfluss in der Küche ist ein bisschen schwierig, wir werden den Installateur dazuholen müssen. Könnte ein paar Tage dauern.«
»Kein Problem. Noch was?«
»Ich will Ihnen ja nichts über Ihren Job erzählen, Lieutenant, aber wenn ich Sie wäre, würde ich einen Bluttest beantragen.«
»Sie meinen, sie stand unter Drogen?«
»Bei so wenig Gegenwehr – vielleicht hat der Angreifer ihr ein Narkosemittel verabreicht. Irgendwas, das nicht injiziert werden muss, wie Chloroform oder Äther, denn wir haben keine Einstichspuren gefunden. Vielleicht hat sie aber auch selbst Drogen genommen, das hätte ihm die Sache einfach gemacht. Wir haben Hochprozentiges unter dem Waschbecken im Bad gefunden, als wir uns die Abflussrohre ansahen. Versteckt hinter Klorollen.«
Flores griff in eine der Asservatentüten und nahm zwei kleine Flaschen Jack Daniel’s heraus, eine noch original verschlossen, eine zu einem Drittel geleert.
»Sonst noch irgendwo Alkoholika in der Wohnung?«, fragte ich.
»Nein.«
»Sie hatte sich einen ordentlichen Vorrat angelegt, aber alles im Bad deponiert«, sagte Sakura.
»Obwohl sie allein lebte, hat sie es heimlich getan«, sagte ich.
»Dass sie allein gelebt hat, muss nicht heißen, dass sie auch allein getrunken hat«, sagte Milo.
»Aber warum hat sie den Alkohol dann versteckt?«
Milo wusste keine Antwort darauf und runzelte die Stirn.
»Wenn sie einen Saufkumpan hatte, war das jedenfalls jemand, der nicht im Bad herumgeschnüffelt hätte.«
»Soll heißen?«
»Kein intimer Freund.«
»Hinter den Klorollen würde man wohl nicht gleich als Erstes suchen. Und
Weitere Kostenlose Bücher