Racheschwur (Flammenherz-Saga, Band 2) (German Edition)
legte.
»Irgendwann musst du es mir aber zurückgeben. Eamen bringt mich sonst um«, kicherte sie und deutete vielsagend mit dem Kinn auf das Papier. Ich nahm es, faltete es auf und staunte nicht schlecht, als ich einen Blick auf die detaillierte Zeichnung warf.
»Aber das ist ja ...«, begann ich.
»Eine Karte vom Torfmoor, die dir einen sicheren Weg hindurch aufzeigt«, beendete Mina meinen Satz. Eingehend studierte ich jeden Zentimeter und war beeindruckt, wie genau der Zeichner dieses kleinen Meisterwerkes gearbeitet hatte. Das Pergament fühlte sich irgendwie ledrig an, so abgegriffen war es bereits und die kleinen Zeichnungen, die mit Tinte angefertigt worden waren, verblassten schon an einigen Stellen. Der Zeichner musste stundenlang an dieser Karte gesessen haben, so filigran und genau war sie angefertigt worden. Neben größeren und kleineren Gewässern erkannte ich sogar einzelne Bäume und Felsen. Diagonal über die ganze Karte verlief eine recht unregelmäßige dicke, gepunktete Linie.
»Das ist der Weg, den du nehmen musst, um das Moor unbeschadet zu durchqueren. Wenn du dich genau auf dieser Linie bewegst, wird dir nichts passieren. Duncan und seine Männer werden dort nicht nach dir suchen«, erklärte Mina und fuhr mit ihrem Finger über die Karte.
»Aber ich kann nur nachts wandern und ich glaube kaum, dass mir die Karte in der Dunkelheit weiterhelfen wird. Wenn ich nicht sehen kann, wohin ich meinen Fuß setze, ist sie nutzlos«, warf ich ein. Bei Tageslicht hätte ich mir die Durchquerung unter Umständen zugetraut, aber es war zu riskant, mich am Tag wieder auf den Weg zu machen. Wenn es hell war, würde man mich zu leicht sehen und es gab nur wenig bewaldete Teile, die mir Schutz bieten konnten. In der Nacht war es für mich undenkbar, ein Moor zu durchqueren, denn dies wäre mein sicheres Todesurteil.
»Der Himmel ist klar und so wie es aussieht, wird es auch so bleiben. Es ist fast Vollmond und so wirst du heute Nacht genügend sehen, um den Weg auf der Karte zu finden«, erklärte Mina. Ich überlegte einen kurzen Augenblick und nickte schließlich. Sollte Minas Voraussage nicht zutreffen, könnte ich mich ja immer noch dafür entscheiden, eine weitere Nacht hier zu bleiben.
Sollte der Mond sich in der kommenden Nacht zeigen, konnte ich mich tatsächlich auf den Weg machen. Hier in den Highlands schien dieser viel heller zu strahlen, als ich es jemals zuvor erlebt hatte. Genauso, wie die zahlreichen Sterne am Himmel. Sie strahlten so hell, dass ich immer wieder aufs Neue fasziniert war, wenn ich in einen nachtklaren Himmel sah. Hier gab es keine große Stadt, deren eigenes Licht alles weniger glanzvoll erscheinen ließ. Hier gab es nur die unverfälschte Natur, so wie sie sein sollte und so wie ich sie liebte.
»Wer hat diese Karte angefertigt?«, erkundigte ich mich neugierig. Ein stolzes Lächeln legte sich auf ihre Lippen.
»Eamen«, sagte sie. »Er hat ein Talent für so etwas.«
»Und warum hat er sie gezeichnet?« Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er es ohne Grund getan hatte. Mina rieb sich verlegen die Hände.
»Dort im Moor gibt es reichlich Gänse und Wild. Wie ich schon sagte, ist es nicht immer leicht für uns und die Winter sind hart.« Ich konnte heraushören, wie unangenehm es ihr war, mir zu gestehen, dass ihr Mann diese Karte nur aus einem einzigen Grund gezeichnet hatte, nämlich um zu wildern.
Ich war noch nicht sehr lange in diesem Jahrhundert, doch mir war bewusst, wie schwer das Überleben für einfache Bauern sein konnte. Ich wusste aber auch, dass es ein schweres Vergehen war, zu wildern. Viele Clan-Chiefs bestraften diese Tat mit Peitschenhieben, manche sogar mit dem Tod.
»Das muss dir nicht unangenehm sein«, versicherte ich Mina und legte beruhigend meine Hand auf ihre. Sie lächelte zaghaft.
»Eamen würde es nicht tun, wenn es einen anderen Weg gäbe«, beteuerte sie.
»Hilft euch Duncan denn nicht, wenn es ein harter Winter wird?«, erkundigte ich mich.
Seit ich gesehen hatte, wie Caleb seinen Leuten Vorräte brachte und ihre Häuser winterfest machte, war es für mich selbstverständlich gewesen, dass ein Clan-Chief sich in dieser Weise um sein Volk kümmerte. Mina sah mich mit großen Augen an.
»Duncan Sutherland? Du meinst er würde uns helfen, wenn die Ernte mager war und wir nicht wissen, wie wir über den Winter kommen sollen?«, fragte sie spöttisch.
»Ja, das gehört doch auch zu den Aufgaben eines Chiefs«, erklärte ich
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