Rachespiel
Tür zugemacht, bretterte Jo auch schon über die Straßenbahnschienen. Sie bog zackig nach links ab, dann beim Pub »The Pig and Heifer« gleich wieder nach rechts, sauste an den IFSC -Gebäuden aus grünem Glas und Granit auf der einen Seite und der Stadtbus-Endhaltestelle auf der anderen vorbei, und überquerte den Liffey zur Südseite, wo sie hinter der Matt Talbot Bridge links auf den City Quay einbog. Erst als sie stetig geradeaus fuhr, auf der Busspur in der Rock Road, ließ sich Sexton wieder vernehmen.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er, während er sich mit der einen Hand unten am Sitz festhielt und mit der anderen an dem Griff über der Tür.
»Ja, ja.« Jo zuckte die Achseln und wechselte das Thema. »Du kommst doch viel rum in der Stadt. Erzähl mir alles, was du über Tara Parker Trench weißt.«
»Sie ist ein scharfer Feger.«
»Sagst du und jeder heterosexuelle Kerl in Irland. Was sonst noch?«
»Sie nimmt ungenießbare mikrobiotische Nahrung zu sich, trägt unbezahlbare Armani-Klamotten und hat einen Stalker, aber das wollen wir ihr nicht ankreiden, weil so etwas in der Welt, in der sie sich bewegt, nun mal dazugehört. Ach so, und sie hat ihrem Kind einen albernen Namen gegeben, der auf Ambitionen in Richtung Traumfabrik schließen lässt.«
»Einen Stalker?«, hakte Jo nach.
Sextons Fingerknöchel um den Griff an der Decke traten weiß hervor. »Ich sage kein Wort mehr, bis du auf die Straße achtest.«
Jo schnalzte mit der Zunge und ging vom Gas. »Also …?«
»Nichts. Stalker sind in Promikreisen so etwas wie modische Accessoires.«
»Hört sich trotzdem ziemlich beängstigend an, finde ich. Was ich nicht verstehe, ist, warum alle sie so auf dem Kieker haben.«
»Wer ist alle?«
»Erst Dan und Fred Oakley, jetzt du. Mit anderen Worten, sämtliche Männer, mit denen sie auf dem Revier in Kontakt gekommen ist, außer Foxy.«
Sexton rieb sich mit dem Zeigfinger unter der Nase, um seinen Gedanken zu illustrieren – Kokain. »Sie haben wahrscheinlich die Gerüchte über ihre Schwäche für du weißt schon was gehört. Ob wahr oder nicht, etwas bleibt immer hängen.«
»Glaubst du, dass sie ein Drogenproblem hat?«
»Das ist kaum zu vermeiden in den Kreisen, in denen sie vorzugsweise verkehrt.«
»Sie arbeitet im Modebusiness!«, protestierte Jo halbherzig. »Dan und Fred glauben nicht, dass ihr Sohn entführt wurde. Was denkst du? Wenn du es auch bezweifelst, hast du jetzt die Gelegenheit, es mir zu sagen. Denn wenn du den Fall nicht richtig ernst nimmst, kann ich dich nicht gebrauchen, klar?«
Sexton hob abwehrend die Hände. »Sie war in Marrakesch und hat sich dort wahrscheinlich in einem schicken Hotel verwöhnen lassen, ohne ihr Kind, und es dann nachts an einer schmuddeligen Tankstelle allein im Auto sitzen lassen. Das ist kaum eine tolle Empfehlung für sie als Mutter.«
»Du glaubst ihr also nicht?«
»Ich glaube, dass du ihr glaubst.«
»Das tue ich!«
»Gut, und ich vertraue auf dein Gefühl. Das muss genügen.«
»Und was spricht gegen dein eigenes Gefühl?«
Er wandte sein Gesicht ab und starrte zum Beifahrerfenster hinaus.
»Du hast viel durchgemacht bei unserem letzten Fall, als du im Leichenschauhaus in dem Kühlfach eingesperrt warst«, sagte Jo freundlicher. »Vielleicht solltest du mal mit jemandem reden. Dir Hilfe holen.«
Er sagte nichts.
»Muss ja kein Seelenklempner sein«, fuhr Jo fort. »Hast du eine Freundin zurzeit?«
»Ich hab kein Interesse an einer Beziehung«, blaffte er.
»Ich sage ja nicht, dass du wieder heiraten sollst …« Jo unterbrach sich, als sie merkte, wie unsensibel das klang, und versuchte, einen leichteren Ton anzuschlagen. »Was ich meine, ist, wann hast du das letzte Mal Sex gehabt?«
Zu ihrer großen Erleichterung fasste Sexton die Frage diesmal so kumpelhaft auf, wie sie gemeint war. Er grinste und entspannte sich sichtlich. »Wenn ich dich das fragen würde, würde Daphne mich wegen sexueller Belästigung drankriegen.«
Jo warf ihm einen Seitenblick zu. »Hör mir bloß damit auf! Personalwesen heißt übersetzt doch nichts anderes, als dass die Chefs sich selbst die Erlaubnis geben, im Privatleben ihrer Mitarbeiter herumzuschnüffeln.«
»Politisch korrekt ist einfach nicht dein Ding, was? Aber ich hab Neuigkeiten für dich: Daphne ist ganz in Ordnung.«
Jo bekam langsam das Gefühl, sich durch ein Minenfeld zu bewegen, dabei wollte sie sich nur mit ihm unterhalten. Sie beschloss, das Geplänkel beiseitezulassen
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