Rachespiel
kommt nicht infrage. Morgen ist Schule.«
»Sie hat heute Geburtstag.«
»Ich brauche dich hier. Ich muss noch mal weg. Und Foxy braucht jemanden, der auf Sal aufpasst.«
»Hab ich schon im Auto mitbekommen. Du hättest mich fragen sollen. Ich habe auch Pläne.«
»Ja, hätte ich tun sollen, tut mir leid. Aber bitte frag Becky, ob sie herkommen möchte, oder geh mit ihr stattdessen am Wochenende aus. Ich arbeite an einem Fall, bei dem ich nicht einfach Feierabend machen kann. Es geht um einen kleinen Jungen, der vermisst wird.«
»Ich hab schon die Tickets reserviert, Mutter.«
»Hör zu, der verschwundene Junge ist nur ein Jahr älter als Harry. Er hat Asthma und muss gefunden werden, bevor er sein Spray braucht.« Sie schielte auf ihre Uhr.
»Ehrlich, Mum, das ist nicht mein Problem. Du hast deinen Dienst für heute gemacht. Soll sich jemand anders darum kümmern.«
»Du wirst deinem Vater jeden Tag ähnlicher, weißt du das?«, fuhr sie ihn an.
Er öffnete den Mund zu einer Erwiderung, aber sie hob schon beschwichtigend die Hände. Heute, merkte sie, hatte sie es geschafft, beinahe alle, an denen ihr etwas lag, zu vergrätzen. »Du hast recht. Es tut mir leid. Ich habe die Arbeit an erste Stelle gesetzt. Nimm das Auto, triff dich mit Becky. Ich lass mir was einfallen.«
»Was ist mit dem kleinen Jungen?«
»Nicht dein Problem«, sagte Jo und machte kehrt. »Geh aus, amüsier dich. Komm nur zu einer vernünftigen Zeit nach Hause, ja? Ich will nicht, dass mir dein Direktor wieder auf die Pelle rückt.«
Rory zog sie am Ärmel. »Becky wird’s verstehen, wenn wir es verschieben …«
Jo warf ihm die Arme um den Hals, wollte ihn küssen.
Er verzog das Gesicht und schob sie weg. »Als Entschädigung will ich deine Visa-Karte für ein schönes Essen zu zweit und deine Schrottmühle, vollgetankt.«
»Abgemacht«, sagte Jo grinsend.
Foxy hatte seine Tochter vorbeigebracht, und nachdem Harry im Bett war, steckte Jo den Kopf zur Wohnzimmertür hinein, um nach Rory und Sal zu sehen, denen sie eine Pizza spendiert hatte. Sie sahen sich eine Wiederholung von Britain’s Got Talent an, und Rory lugte durch seine gespreizten Finger auf eine spärlich bekleidete, ziemlich betagte Dame, die sich das Herz aus dem Leib sang.
»Ich finde nicht, dass sie falsch singt, Rory«, bemerkte Sal.
»Es ist nicht wegen ihrer Stimme, sondern wegen dem Kleid«, erklärte Rory und zwinkerte Jo zu, die ihm den erhobenen Daumen zeigte. Er hatte so ein gutes Herz, sie würde ihm alles verzeihen.
»Wieso, was stimmt denn nicht mit dem Kleid?«, fragte Sal. »Ich liebe Rot.«
Jo ging in die Küche, machte ihren Laptop an und begann, im Internet nach Urlaubszielen in Marokko zu suchen, bis sie ein Hotel mit Zwiebeldach wie das im Hintergrund des Sexvideos gefunden hatte. Es hieß »Atlantis« und war in Marrakesch.
Als Nächstes loggte sie sich in PULSE ein, das Computersystem der Polizei, um die Kfz-Kennzeichen, die sie auf ihrem im Büro angefertigten Diagramm eingetragen hatte, zu überprüfen. Das erste, das sie eingab, war das des Hiace. Als die Datei Marcus’ Nachnamen und eine Adresse in Sandymount ausspuckte, sah Jo kurz zum Himmel auf und flüsterte »Danke!«. Mit seinem Namen und der Adresse konnte sie aus einer anderen PULSE Datenbank seine Sozialversicherungsnummer herausfinden. Morgen würde sie dann das Finanzamt kontaktieren, um die Namen seiner Kunden zu ermitteln, zu denen hoffentlich auch das Triton-Hotel gehörte. Sie schürzte überrascht die Lippen, als ihr bewusst wurde, dass er in einem ziemlich schicken Vorort wohnte, der vom Verfall der Immobilienpreise unberührt geblieben war. Interessant, wenn man bedachte, dass er einen Transporter fuhr, der aussah, als würde er jeden Moment zusammenkrachen.
»Mum, Sal fallen da drüben die Augen zu«, sagte Rory, der gerade hereingekommen war.
Jo stand auf und ging ins Wohnzimmer. »Möchtest du jetzt gern ins Bett gehen, Süße?«, fragte sie.
Sal sah schläfrig zu ihr auf. Sie war erst zwölf, und es war ein harter Tag für sie gewesen. Jo bekam ein schlechtes Gewissen, weil sie Foxys Angebot, an diesem Abend zu arbeiten, angenommen hatte.
»Ja, bitte, Jo.«
Jo führte sie zum Gästezimmer.
»Dad hat für alle Fälle meinen Schlafanzug eingepackt«, erklärte Sal und nahm ihren Miley-Cyrus-Rucksack von der Schulter.
»Na, ein Glück, dass er das gemacht hat«, sagte Jo, während sie die Kissen aufschüttelte.
»Gute Nacht, Jo«, sagte Sal und umarmte
Weitere Kostenlose Bücher