Rachespiel
Polizei.«
»Was ist mit Ihrem Gesicht passiert?«, fragte Farrah kichernd. Sie hatte einen starken Akzent, vermutlich osteuropäisch.
Sexton befühlte den Schorf an seinem Nasenrücken; das hatte er total vergessen. »Ich hab vor ein paar Wochen einem Dreckskerl einen Kopfstoß verpasst.«
Sie griff nach ihrem Drink. Die Eiswürfel klingelten, als sie ihn zum Mund führte. Sah aus wie ein Gin Tonic mit einem Spritzer Limettensaft. Er hatte mal mit einem Cop zusammengearbeitet, der meinte, man könnte anhand des Getränks, das eine Frau bestellte, darauf schließen, was in ihr vorging. Ihre Wahl verriet einem, auf was für eine Art Flirt sie aus war, und meistens auch, warum. Ein Mädchen, das gern Kurze kippte, wollte vergessen, und brauchte deshalb viel Ablenkung, damit sie nicht an die Vergangenheit dachte. Ein Mädchen, das auf Bier stand, wollte Spaß und meistens eine feste Beziehung, was hieß: Mach einen Bogen um sie. Aber eine, die auf G&T abfuhr, war ideal – Gin machte eine Frau gefühlsduselig und zärtlichkeitsbedürftig, mit anderen Worten, leicht zu haben.
Jaclyn riss die Augen auf. »Womit hatte er das denn verdient?«, säuselte sie. Sie klang wie ein Mädchen aus Essex, und nach der Erdbeere am Rand ihres Glases zu urteilen, trank sie Champagner, war also teuer in der Unterhaltung.
»Gav, komm mit zur Bar und hilf mir, ja? Ich muss Nachschub für die Damen hier besorgen«, sagte Murray. Er trug eine Jeans mit Bügelfalten und diese braunen Schwuchtel schuhe mit gerader Kappe, die Sexton nicht ausstehen konnte. »Noch mal das Gleiche, Mädels?«
Farrah Fawcett schüttelte grinsend den Kopf. »Diesmal einen Bacardi Breezer für mich«, flötete sie.
»Für mich auch«, stimmte Jaclyn mit ein.
Sexton wurde deprimiert. Alcopops waren was für Kinder. Und Kinder sollten nicht trinken.
»Immer noch so geschickt mit dem Mundwerk, merke ich«, sagte Murray, als sie außer Hörweite waren. »Was musstest du ausplappern, dass du jemandem eine Kopfnuss verpasst hast?«
»Sie hat mich gefragt.«
»Ja, klar. Aber von jetzt an wollen wir es schön leicht und fröhlich halten, ja? Alles beruht hier auf dem Prinzip ›Kenntnis nur bei Bedarf‹, verstehst du? Also, welche von den beiden willst du?«
»Ach, komm, als hätte ich eine Chance.«
Murray rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. »Jeder hat eine Chance, wenn Chancengleichheit herrscht.«
»Du machst wohl Witze«, sagte Sexton. »Das sind Nutten?«
Murray legte ihm eine Hand auf den Rücken und schob ihn weiter. »Kannst du vielleicht mal leiser reden? Diskretion ist das A und O hier.«
Sexton warf einen Blick über seine Schulter und sagte gedämpft: »Das kapier ich nicht. Die Frauen auf der Straße, die mir im Job begegnen, schleppen alle ein Päckchen mit sich rum – sie wurden als Kinder missbraucht, stammen aus elenden Verhältnissen, sind drogenabhängig. Aber diese Mädchen haben doch offenbar alles, sie haben ihr ganzes Leben vor sich. Wie sind sie …?«
»Fragen, Fragen«, sagte Murray und verschloss seine Lippen mit dem Finger. »Hast du jetzt Bock drauf oder nicht?«
»Nee, Mann, dafür bezahlen ist die Endstation«, antwortete Sexton.
Murray stützte sich schwer auf seine Schulter und sah ihm in die Augen. »Nur damit du das mal klarkriegst, du bezahlst sie nicht für Sex. Jeder Mann kann jederzeit Sex kriegen, solange er bereit ist, seine Erwartungen der Situa tion entsprechend runterzuschrauben. Du bezahlst sie dafür, dass sie sich hinterher verpissen, verschwinden, vergessen, dass es je passiert ist, diskret sind – mit anderen Worten, für all das, wozu normale Frauen nach dem Sex nicht bereit sind. Außerdem sind diese Girls noch aus einem anderen Grund was Besonderes. Sie legen sich nicht einfach hin und erwarten, dass du die ganze Arbeit machst. Sie gehen mit dir ins Bett, um dich zu verwöhnen, dich wie einen Mann zu behandeln. Und mach dir keine Gedanken, dass du dir das nicht leisten kannst. Heute Abend geht alles auf meine Rechnung. Betrachte es als kleine Freundschaftsgeste. So ein Leben kannst du führen, wenn du für mich arbeitest. Diese Mädchen gehören zu den Vergünstigungen, die dir zustehen. Klar, wenn du sie alle beide willst, kannst du das mit dem Monat Kündigungsfrist vergessen. Dann will ich dich schon morgen auf dem Posten sehen.«
Sexton merkte, wie sein Herz schneller schlug, nicht wegen des Angebots, das ihm gemacht wurde – der Gedanke an käuflichen Sex stieß ihn ab –, sondern weil er
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