Rachespiel
jetzt wusste, dass er eine Spur hatte, etwas, das Jo interessieren würde. Gut möglich, dass Murray sich von Jeff Cox dafür bezahlen ließ, dass er ihm Prostituierte beschaffte. Jo hatte bereits den Verdacht, dass Tara als Callgirl arbeitete, und seit Murray bei dem Geldautomaten in Sandymount aufgetaucht war, war Sexton ziemlich sicher, dass er sich dort wöchentlich mit Cox getroffen hatte. Das bedeutete zugleich, dass sie jetzt ein nachweisbares Motiv hatten, aus dem Cox seine Ehefrau ermordet haben könnte, auch wenn Jos erster Eindruck ein anderer gewesen war.
Er atmete tief durch, während er sich das durch den Kopf gehen ließ. »Ich dachte, du musst noch fahren«, sagte er dann und deutete mit dem Kinn auf den Motorradhelm.
»Einen kann ich mir erlauben«, sagte Murray.
»Warum der Wechsel aufs Motorrad? Vorhin warst du doch mit dem Auto da.«
»Fragen, Fragen. Ich nehme im Job immer das Bike, wenn du’s unbedingt wissen willst. So kann man jemandem am besten folgen, wenn viel Verkehr ist.« Er stupste Sexton mit der Schulter an. »Bring die Drinks rüber, ja? Ich muss mal pissen.«
Das Rückgeld, das Sexton von seinem Fünfzig-Euro-Schein für die Runde bekam, taugte nur noch dazu, in die Spendenbox am Rand des Tresens gesteckt zu werden. Er starrte auf die Handvoll Kupfermünzen und beschloss, die Straßenkinder von Kalkutta nicht damit zu beleidigen.
Gleich darauf sah er Murray aus der Herrentoilette kommen, ungewöhnlich schnell, und sich einmal zu oft die Nase mit dem Finger reiben. Sein schwungvoller Schritt war ein bisschen zu schwungvoll, sein Unterkiefer mahlte.
Sexton verteilte gerade die Drinks, als er plötzlich mit ausgestrecktem Arm innehielt.
Noch eine verdammt schöne Frau war gerade aufgetaucht – dieselbe, die er beim Hereinkommen hatte tanzen sehen. Sie warf Murray die Arme um den Hals.
»Sieh an, wen haben wir denn da«, sagte Murray und befreite sich.
Sexton starrte sie ungläubig an. Es war Tara Parker Trench. Mit riesig erweiterten Pupillen. Sie war total breit.
28
Foxy stand in der Ankunftshalle des Dubliner Flughafens und hatte höllische Schuldgefühle, weil er noch arbeitete. Er machte selten Überstunden, weil er Sals Tagesablauf nur ungern durcheinanderbrachte, aber er hatte es noch nie erlebt, dass Jo sich irrte, wenn sie sich derart in einen Fall verbiss. Er könnte es sich nicht verzeihen, sollte dem unschuldigen kleinen Jungen etwas passieren, nur weil er sie nicht genügend unterstützt hatte, besonders nachdem er sich schon am Nachmittag für ein paar Stunden hatte verdrücken müssen.
Er sah zu der Anzeigentafel hinauf, die den Flug aus Fuerteventura als vor zwanzig Minuten gelandet angab. Aus eigener bitterer Erfahrung wusste er, dass die Gepäckausgabe und die Passkontrolle hier ebenso langsam wie berüchtigt waren. Zu Weihnachten flog er immer mit Sal nach Euro Disney, und vom Flughafen Dublin wegzukommen dauerte stets länger als der eigentliche Flug.
Vor seiner Brust hielt er ein Blatt Papier, auf dem der Name von Taras Ex in dicken Blockbuchstaben stand. Hätte er ein bisschen früher Bescheid bekommen, hätte er vielleicht ein Foto von Mick Devlin über Facebook organisieren können, ein sehr hilfreiches Portal für Polizeikräfte auf der ganzen Welt, weil es zu den Listen von Freunden und Komplizen auch gleich die Porträts lieferte. Foxy hatte einen Kurs darüber belegt, wie man das Netzwerk nutzte, aber er verstand immer noch nicht, wieso jemand fremden Leuten seine privaten Familienalben zeigen wollte. Liegt wohl daran, dass ich alt werde , sagte er sich.
Er beobachtete, wie Paare sich beim Wiedersehen küssten und Großeltern mit ausgebreiteten Armen auf ihre heimkehrenden Enkelkinder zustürzten. Jeder Mensch brauchte jemanden, der ihn vom Flughafen abholte, fand er.
Normalerweise wäre er mit seinem Ausweis durch den Zoll gegangen und hätte Devlin gleich beim Aussteigen abgefangen, aber Jo hatte betont, dass sie ihre Nachforschungen möglichst unauffällig durchführen mussten, weil sie sonst in Teufels Küche kamen, sollte Dan herausfinden, womit sie sich abgaben.
Foxy bemerkte, dass manche der jetzt in die Ankunftshalle strömenden Passagiere nur Shorts und T-Shirts tru gen, und begann, sich die Männer, die hinter beladenen Ge päckwagen durch die automatischen Milchglastüren kamen, genauer anzusehen. Sein Augenmerk richtete sich von einem schwarzhaarigen Mann mit Jeanshemd auf einen schmerbäuchigen Typen mit Sonnenbrille, der
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