Rachewahn: Thriller
sodass die Kollegen von hinten bis zum Bus kommen können.“
„Das wird nicht funktionieren. Anna würde das sofort durchschauen. Sie ist nicht dumm.“
„Vermutlich hast du recht. Können wir denn Kontakt zum Busfahrer aufnehmen, ohne dass sie etwas davon bemerkt?“
„Mit sehr viel Glück könnte das klappen. Jedoch würde uns das nicht weiterbringen. Was sollte der Mann dann schon machen?“
„Auch wieder wahr.“ Nora presste die Lippen aufeinander. „Wie steht es mit der Buszentrale? Haben wir eine Verbindung zu den Leuten?“
„Die Kollegen aus unserer Zentrale sind dran. Aber auch das wird uns kaum weiterbringen. Nach meinem Kenntnisstand geht Anna nicht auf die Meldungen der Buszentrale ein.“
„Gibt es eine Kamera im Bus?“
„Nein.“
„Das ist nicht auszuhalten!“ Nora verschränkte die Arme vor der Brust. Dabei fiel ihr Blick wieder auf den Gullydeckel in ihrer Nähe. Zwar war die Absperrung inzwischen um weitere zehn Meter nach hinten verlegt worden, doch der Kommissarin lief es immer noch kalt den Rücken herunter, wenn sie an den vermeintlichen Sprengstoff dachte.
„Wir haben also keine andere Wahl, als tatenlos zuzusehen“, fasste Nora die Situation zusammen. „Anna gibt den Ton an. Wir tanzen alle nach ihrer Pfeife und können sie nicht stoppen.“
„Es sieht ganz so aus“, stöhnte Tommy. „Vielleicht lässt sie aber noch einmal mit sich verhandeln. Sie hat uns schließlich erlaubt, die Gebäude zu evakuieren. Das bedeutet, dass sie generell zu Gesprächen bereit ist.“
„Ja, aber ich bin keine Verhandlungsspezialistin. Und soweit ich weiß, haben wir in der ganzen Direktion niemanden, der sich für diesen Job eignet. Wie lange braucht das SEK noch?“
„Ich habe eben noch einmal mit Kortmann telefoniert. Laut seiner Aussage brauchen die Jungs noch eine halbe Stunde.“
Nora sah auf die Uhr. „Das bringt uns auch nicht mehr weiter. Denn in spätestens vierzig Minuten soll Frost hier sein. Es ist aussichtslos, die Spezialisten in zehn Minuten mit allen nötigen Informationen zu versorgen. Zumindest könnten sie dann kaum noch rechtzeitig agieren.“
„Möglicherweise können wir einen Vermittler von der Uni anfordern. Dort müsste doch jemand zur Verfügung stehen.“
„Von der Uni? Ich bitte dich. Diese Leute sind Theoretiker. Die sitzen in der Bibliothek und fassen ihre Recherchen dann hinter Schreibtischen zusammen. Von denen ist niemand für diese Situation gewappnet. Von praxisnaher Arbeit sind die meilenweit entfernt.“
„Also muss einer von uns mit Anna sprechen.“
„Ein falsches Wort und schon könnte es das Ende sein.“
„Ich weiß“, zischte Tommy, der von Minute zu Minute angespannter wurde. Seit seiner Jugend hasste er es, wenn er nicht aktiv in das jeweilige Geschehen eingreifen konnte. Am liebsten würde er jetzt zum Bus stürmen und die Geiselnehmerin mit einem gezielten Schuss außer Gefecht setzen. Jede Faser seines Körpers drängte ihn danach. Doch angesichts der Umstände musste er sich gegen seinen Willen zusammenreißen und die Ruhe bewahren.
Nora wusste genau, wie schwer ihm das fiel. Innerlich kochte er gewiss vor Wut. Zwar war Nora eher die rationale Analytikerin, doch auch sie wusste in diesem Moment keinen Rat. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie die Geiselnahme zu einem positiven Ende bringen konnte.
„Wenn wir nicht in den Bus hineinkommen können“, grübelte sie nach einiger Zeit, „dann müssen wir eben dafür sorgen, dass Anna herauskommt.“
„Guter Ansatz. Aber sie müsste dann weit genug vom Bus weggehen. Wie sollen wir das anstellen?“
Ein merkwürdiger Glanz trat in Noras Augen. „Vielleicht ist es im Endeffekt unser großer Vorteil, dass sie Frost hier vor Ort haben will.“
„Du meinst, dass wir sie mit seiner Hilfe vom Bus weglocken können? Soll er etwa als Köder dienen?“
„Genau. Ich weiß zwar noch nicht, wie das exakt ablaufen kann, aber es ist einen Versuch wert. Zumal wir keine Alternative haben. Oder fällt dir doch noch etwas ein?“
„Leider nicht. Von Kortmann kommt in dieser Hinsicht auch nichts Hilfreiches.“ Thomas kratzte sich an seiner Narbe. Dann zupfte er an seinem T-Shirt und starrte wieder zum Bus. „Mann, das klingt so verdammt riskant und unsicher. Ich hasse es, so schlechte Karten zu haben.“
„Wem sagst du das. Wir müssen dafür sorgen, ein besseres Blatt zu bekomm…“ Nora stockte. Sie blickte zum Gullydeckel in ihrer Nähe. Dann sah sie zu Karl, der
Weitere Kostenlose Bücher