Rachewahn: Thriller
sagte Nora. „In dieser Verfassung ist er nicht zurechnungsfähig.“
„Keine Sorge. Das schaffen die Kollegen schon. Davon bin ich überzeugt. Wir sollten uns jetzt aber mit der Gästeliste ins Zeug legen.“
„Du hast recht. Einer von diesen Menschen ist wahrscheinlich der Mörder. Ich gehe nämlich nicht davon aus, dass ein Außenstehender hier ins Haus gekommen ist“, mutmaßte Nora, nachdem sie die Liste wieder in Augenschein genommen hatte. „Das gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Eine andere Wahl bleibt uns aber nicht. Deshalb sollten wir draußen einige Befragungen übernehmen und die jeweiligen Gäste auf der Liste abhaken.“
Waldemar räusperte sich. „Ich würde Ihnen gerne dabei helfen. Aber die Auswertung der Spuren sollte nicht vernachlässigt werden. An anderer Stelle werde ich mehr gebraucht.“
„Stimmt. Fahren Sie ins Labor und informieren Sie uns sofort über wichtige Erkenntnisse. Machen Sie Ihren Jungs ein wenig Druck.“
„Verlassen Sie sich darauf. Bis später, Herr Korn.“ Ohne Nora auch nur zu beachten, drehte er sich um und ging mit großen Schritten aus dem Zimmer.
Kurz darauf hörten die Kommissare laute Rufe im Flur. Daher steckte Nora die Gästeliste ein und schritt mit Tommy ebenfalls hinaus. Dort kontrollierte sie die Lage hinter dem Absperrband.
„Ich weiß, wer es war! Ich weiß es!“, schrie eine junge Frau aus vollem Hals.
„Wie heißen Sie? Was können Sie mir über die Morde berichten? Wie stehen Sie zu den Opfern?“ Diese Fragen kamen von Frank Gunst, der sich schamlos durch die Menge drängelte, um der Frau Auge in Auge gegenüberzustehen.
„Nichts da!“, schrie Nora. „Kommen Sie zu uns, wenn Sie wichtige Informationen haben. Der Mann neben Ihnen ist von der Presse. Sagen Sie ihm kein Wort.“
Gunst funkelte Nora an. „Sie können noch immer nicht viel mit den Begriffen ‚Presse- und Meinungsfreiheit’ anfangen, was? Muss ich Ihnen wirklich erklären, dass ich das Recht habe, über die Morde zu berichten?“
„Das interessiert uns nicht im Geringsten“, erwiderte Tommy grob. „Ich sage nur drei Wörter: Behinderung der Polizeiarbeit. Erinnern Sie sich noch an den letzten Fall? Damals habe ich Sie mit einem blauen Auge davonkommen lassen. Diesmal werde ich Sie einbuchten, wenn Sie uns im Weg stehen. Darauf können Sie Gift nehmen.“
„Ihre leeren Versprechungen kenne ich bereits. Damit können Sie mich nicht mehr beeindrucken. Diese junge Dame hier wird mir bestimmt alles erzählen, was sie weiß.“ Er sah die Frau an. „Ist es nicht so? Sie werden mir Rede und Antwort stehen.“
Doch die Frau warf ihm einen angewiderten Blick zu. Sie duckte sich unter dem Absperrband hindurch, schritt an den postierten Beamten vorbei und rannte auf die Ermittler zu.
„Sie sind eben nicht besonders beliebt, Herr Gunst“, schrie Tommy ihm zu. „Bei niemandem.“
„Ich möchte auch nicht beliebt sein. Ich will erfolgreich sein. Und das werde ich. Niemand wird mir dabei im Weg stehen. Mein Artikel wird bombastisch. Vertrauen Sie mir.“
„Dieser Widerling geht mir so sehr auf die Nerven“, stieß Tommy aus. Doch noch ehe er sich weiter auf Gunst einschießen konnte, sagte die Frau hastig: „Ich weiß es! Ich bin mir absolut sicher, wer der Mörder ist. Sie müssen ihn festnehmen. Jetzt! Sonst flieht er womöglich!“
„Beruhigen Sie sich“, entgegnete Nora. „Und dann sagen Sie uns bitte als Erstes, wie Sie heißen.“
„Ich bin Anna Steiner, Steffis beste Freundin. Ich war ihre Brautjungfer. Und ich habe gesehen, wer sie ermordet hat.“
31
Samstag, 8. Juni 2013
Nora und Thomas standen nach wie vor hinter der Absperrung und sahen auf den Bus. Sie konnten sehen, dass Anna die Passagiere mit ihrer Waffe in Schach hielt und gelegentlich mit dem Busfahrer sprach. Den Totmannschalter behielt sie unablässig in ihrer linken Hand.
„Gibt es wirklich keine Möglichkeit, die Geiseln aus der Gewalt dieser Verrückten zu befreien?“, fragte Nora. „Wir müssen das doch irgendwie schaffen können, bevor die Kollegen diesen Frost herbringen.“
„Die einzige Chance sehe ich in einem Überraschungsangriff“, erwiderte Tommy. „Aber der Bus steht so ungünstig in der Mitte der Gefahrenzone, dass es sehr riskant ist, sich unbemerkt heranzuschleichen. Schließlich dreht Anna sich regelmäßig um und kontrolliert die Lage. Sie hat alles im Griff.“
„Vielleicht können wir sie ablenken. Wir müssen ihre Aufmerksamkeit auf uns ziehen,
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