Rachewahn: Thriller
durchschaut? Wieso haben Sie die Kamera an dem Gürtel nicht entdeckt?! Ich habe mehrmals versucht, Sie darauf aufmerksam zu machen! Selbst den Knopf im Ohr hätten Sie sehen müssen! Ich hatte zwar die Anweisung, den Kopf stets von Ihnen wegzudrehen, aber in manchen Situationen hätte Ihr Späher es bemerken müssen!“
Nora erstarrte zu Salzsäule. Hatte Anna wirklich versucht, auf die Kamera zu deuten, während sie im Bus stand? Hatten sie, Karl und Tommy diese Zeichen schlichtweg übersehen?
„Wirke ich etwa wie eine irre Geiselnehmerin?“, fuhr Anna fort. „Ich habe ständig Anweisungen auf mein Ohr bekommen. Meine Sätze, meine Handlungen, meine Bewegungen. Alles wurde mir diktiert! Über die Kamera haben die Leute alles beobachtet! Hätte ich auch nur einmal nicht nach deren Vorschriften gehandelt, dann hätten sie Jonas sofort getötet!“
„Haben Sie jetzt noch Kontakt zu den Leuten?“ Tommy nahm Anna den Knopf aus dem Ohr und lauschte. Doch es war nichts mehr zu hören. Die Leitung war tot.
„Vor zwei Minuten habe ich zuletzt von denen gehört. Es war eine männliche Stimme. Ich habe sie aber nicht erkannt. Sie war verzerrt.“
„Wann haben Sie zum letzten Mal ein Lebenszeichen Ihres Freundes erhalten?“
„Kurz bevor ich zur Haltestelle ging. Zu diesem Zeitpunkt lebte er definitiv noch. Sonst hätte ich diesen Irrsinn doch gar nicht mitgemacht! Aber ich liebe ihn so sehr! Ich würde alles machen, um sein Leben zu retten. Und da in dem Gürtel kein Sprengstoff ist, bestand zu keinem Zeitpunkt ernsthafte Gefahr für mich oder die Fahrgäste. Ich musste nur die Zeit überbrücken und die Anweisungen ausführen.“
„Und dabei einen der Passagiere anschießen?“, fauchte Tommy, ehe er zu dem verwundeten Mann blickte.
„Das war notwendig, um meine angebliche Entschlossenheit zu demonstrieren. Genauso wie die Explosion des Sprengstoffes im Mülleimer. Die Leute, die Jonas entführt haben, haben sie ausgelöst. Nicht ich.“
„Wieso sagen Sie dauernd ‚die Leute’? Wissen Sie, wie viele Personen dahinterstecken?“
„Es waren zwei Personen, die mich gestern Abend in meiner Wohnung überfallen haben. Wenn mich nicht alles getäuscht hat, dann waren es ein Mann und eine Frau. Sie haben mich mit Chloroform betäubt. Zumindest glaube ich das. Als ich heute Morgen wieder aufwachte, hatte ich den Sprengstoffgürtel um. Eine geladene Waffe lag auf meinem Nachttisch. Daneben befand sich der Funksender, ein Foto von Jonas und ein Brief, in dem stand, was ich machen sollte.Hätte ich mich an Sie gewandt, dann wäre Jonas sofort umgebracht worden.“
„Welche Anweisung haben Sie zuletzt über Funk erhalten?“
„Ich sollte langsam auf die Absperrung zufahren. Alles andere wäre egal, weil Frost bereits auf dem Weg ins Krankenhaus war. In zwei Stunden würden sie Jonas dann freilassen.“
Nora und Tommy waren sich nicht sicher, ob sie dieser verrückten Geschichte Glauben schenken sollten. Womöglich band Anna ihnen nur einen Bären auf. Doch falls sie die Wahrheit sprach …
„Wird der Notarztwagen von unseren Kollegen begleitet?“, wollte Tommy von Nora wissen, bevor er seine übrigen Kollegen heranwinkte, um die Fahrgäste aus dem Bus zu lotsen.
Nora nickte. „Dorm hat zwei Streifenbeamte hinterher geschickt.“
„Das reicht nicht“, wusste Anna. „Das alles wurde so exakt geplant, dass zwei Streifenbeamte nicht ausreichen werden, um Frost weiterhin in Gewahrsam zu behalten.“
„Aber Frost wurde von diesen Irren so angeschossen, dass er auf jeden Fall ärztliche Hilfe benötigt“, sagte Nora.
„Vielleicht warten sie, bis er die Hilfe bekommen hat, um ihn im Krankenhaus zu befreien. Wie lange ist er denn jetzt schon dort?“
„Lange genug, befürchte ich.“ Nora richtete sich auf und sah Tommy an. „Wir müssen sofort Kontakt mit der Streife aufnehmen und zum Krankenhaus fahren! Vielleicht kommen wir noch rechtzeitig dort an. Je mehr Leute mitkommen, desto besser. In der Zwischenzeit sollen Dorm und Vielbusch sich hier um das Chaos kümmern.“
44
Ein Tag zuvor
„Hat die Polizei den Mörder gefasst?“, hauchte Veronika.
Albert hob die Achseln. „Ich weiß es nicht. Momentan bin ich nur froh, dass du wieder die Augen aufgemacht hast. Du hast mir einen unglaublichen Schrecken eingejagt. Wenn du auch noch von mir gegangen wärst, dann wüsste ich nicht, wie ich weiter hätte leben können.“
Veronika lag in einem Einzelzimmer der Uniklinik und blickte ihrem Mann in die
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