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Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt

Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt

Titel: Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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dem grünen Mülleimer, als hätte sie jemand weggeworfen. Sie war mit Lehm beschmiert und nass vom Regen. Kaum wiederzuerkennen, trotzdem erkannte er sie sofort. Mys Strickmütze. Die sie sich immer über ihre mausgrauen Haare tief ins Gesicht zog, so dass diese hinterher ganz platt am Kopf lagen. Die Mütze, die sie in den kalten Nächten draußen in Ry gewärmt hatte. Deshalb war sein erster Gedanke auch nicht, wie die Mütze dorthin gekommen war und was das eventuell bedeuten könnte, sondern dass sie frieren könnte, weil sie nichts zum Wärmen hatte. Er konnte sie förmlich hören, wie sie neben Cato auf und ab hüpfte und sich beschwerte:
    »Friere. Friere den Kopf.«
    Zumindest hoffte er es. Cato hatte nie viel Geduld mit My gehabt. An einem Tag strich er ihr über die Haare und am nächsten trat er mit Füßen nach ihr. Wahrscheinlich weil er sie nie richtig verstanden hatte.
    Er schloss das Haus hinter sich ab und legte den Schlüssel an seinen Platz unter dem weißen Stein. Als er im Wagen saß, überkam ihn ein heftiger Schmerz im Herzen, im buchstäblichen Sinne. Er wusste, dass es Sehnsucht war.

KAPITEL 46
    »Hey, Baby, wir geht es dir?«
    Sie hörte, wie pathetisch ihr »Okaay« klang. Ihre Stimme war hauchdünn, wie eine Membran, die jederzeit reißen und Worte freisetzen könnte, die sie lieber nicht sagen sollte.
    »Und was gibt es Neues? Hast du ihn gefunden?«
    Sie riss sich zusammen und erzählte Bo die Neuigkeiten. Sie berichtete von den Bordellen, von Tammi und Laila, von ihrem Besuch in der Mølleskole und sogar von ihrer Fahrt nach Djursland und der unangenehmen Begegnung mit Cato. Sie spürte, wie es sie erleichterte, davon zu sprechen.
    »Ich vermisse dich, Bo.«
    Sie bereute den Satz auf der Stelle. Sie wusste genau, dass er sie nicht vermisste, und die Demütigung würde auf dem Fuß folgen, weil er es nicht erwiderte. Außerdem hörte er wahrscheinlich nur den Vorwurf, dass er nicht bei ihr war. Es war schon alles schiefgelaufen, was möglich war.
    »Ich komme doch bald wieder nach Hause«, lautete seine Antwort, die sie auch erwartet hatte. »Ich bin zurück, bevor du es merkst.«
    Sie dachte an ihre Tabletten. Das passierte ihr immer seltener, aber genau in diesem Augenblick sehnte sie sich nach der Betäubung. Sie vermisste den Puffer, der sich mit deren Hilfe zwischen ihre Wahrnehmung und die Realität schob. Wenigstens gelang es ihr, das Gespräch mit einem gewissen Maß an Würde zu beenden.
    Noch lange nach dem Telefonat stand sie mit dem Hörer in der Hand da und fühlte sich erbärmlich. Sie ging mit dem Hund spazieren und versuchte, einen Überblick über ihr Leben zu bekommen. Bo und Renate. Rose. Peter B. Anne und Ida Marie. Alle Beziehungen mussten neu gestaltet werden, Schritt für Schritt. Vertrauen, Liebe, Respekt. Diese Aufgabe kam ihr unüberschaubar und unüberwindbar vor, aber eigentlich begann der Prozess auch mit ihr selbst. Es lag an ihr, in ihrem Leben klare Beziehungen zu den Menschen aufzubauen, die sie liebte. Und dafür benötigte sie in erster Linie Abstand, um das Gefühl genauer betrachten zu können, das sie jahrzehntelang bedrückt hatte: die Tatsache, dass sie es zugelassen hatte, ihren Sohn aus den Augen zu verlieren.
    Es war ein Büßergang, eine Pilgerreise, die sie nur allein antretenkonnte. Aber es war auch eine Reise, für die sie einen zweiten Mitspieler brauchte, und er wollte nicht mitmachen, da war sie sich auf einmal ganz sicher. Wenn sie ihn fände, würde er im selben Augenblick alle Brücken abreißen und sie dorthin zurückschicken, wo sie hergekommen war. Er würde ihr nicht helfen können, weil er – wie Rose es so klug formuliert hatte – sich selbst nicht helfen lassen wollte.
     
    »Anholtsgade. Direkt über dem Plattenladen an der Ecke.«
    Holger posaunte seine neuesten Rechercheergebnisse stolz heraus. »Ich habe mich ein bisschen auf der Straße umgehört. War eigentlich gar nicht so schwer. Ich habe das Haus auch eine Weile beobachtet, und tatsächlich ist da der ein oder andere verklemmte Heini reingegangen und wieder herausgekommen.«
    »Es könnte doch auch einer der Bewohner gewesen sein.«
    Davidsen hatte der Fruchtschale die Freundschaft gekündigt und sich eine Tüte Salzlakritze mitgebracht, in die er pausenlos seine Hand steckte.
    Dicte merkte sich die Hausnummer.
    »Hast du geklingelt?«
    Holger nickte und fischte sich ein Lakritz aus Davidsens Tüte, die dieser in die Runde hielt.
    »Da hat eine Blondine aufgemacht

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