Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt
abgesperrten Tatort entschieden. Aber Fotos musste er machen, da ging kein Weg dran vorbei. Genauso erging es auch Wagner und Hartvigsen, die ihr Bestes taten, um der anwesenden Presse ein paar Häppchen zu servieren, ohne aber zu viel zu verraten.
»Es könnte sich um eine Verknüpfung von Zufällen handeln!«, antwortete Wagner auf die Frage nach den politischen Motiven.
»Zufälle?«, wiederholte der erfahrene Kollege von der
Jyllands-Posten
. »Es soll also ein Zufall sein, dass das Auto der Bürgermeisterkandidatin so kurz vor der Wahl in Brand gesteckt und gleichzeitig eine Bombe in einem Solarium gezündet wird und eine körperbehinderte Frau dabei umkommt?«
»Technisch sind die beiden Explosionen noch nicht miteinander in Verbindung gebracht worden«, warf Hartvigsen ein.
»Aber Sie haben doch die Vermutung, dass es sich um ein und denselben Täter handelt?«, meinte der Kollege von
Politiken
. »Deutet der Tathergang nicht auf al-Qaida hin?«
Wagner zuckte mit den Schultern. Es war unverkennbar, dass er die Pressekonferenz so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte, um mit den Ermittlungen fortzufahren.
»Es könnte so vieles sein«, wiegelte er ab. »Wahrscheinlich hat man eher al-Qaida kopieren wollen. Aber noch ist es zu früh für Mutmaßungen.«
Die Informationen, die nach draußen drangen, waren bishermehr als spärlich gewesen, vermutlich, weil es nicht so viel zu erzählen gab, aber auch – und das wussten alle –, weil die Polizei die meisten Details geheim hielt. Der Name der Autobesitzerin hatte ja schon eingeschlagen wie eine weitere Bombe, vor allem als publik wurde, dass am selben Tag im Haus von Francesca Olsen eingebrochen worden war. Aber wie das alles mit al-Qaida in Verbindung gebracht werden sollte, konnte Dicte auch nicht sehen. Die zweifache Bombenexplosion war richtigerweise das Markenzeichen der islamistischen Terrororganisation, aber was für ein Interesse sollte al-Qaida haben, sich in einen Wahlkampf in Århus einzumischen? Der Heilige Krieg am Schweinebrunnen auf dem Rathausplatz? Ihr fiel es schwer, diese Theorie ernst zu nehmen.
Eine Unruhe machte sich in ihr breit, während sie Bo beobachtete, der mit seiner Kamera vor den beiden Protagonisten herumtänzelte. Einen Zufall hatte Wagner das genannt, aber ganz offensichtlich selbst nicht dran geglaubt. War es dann auch ein Zufall, dass ausgerechnet das Solarium in die Luft flog, in dem sie sich zusammen mit Ida Marie hatte braten lassen wollen? War es ein Zufall, dass bei der Person eingebrochen wurde, mit der sie einen Interviewtermin hatte und zu der sie nach dem Aufenthalt im Solarium gefahren wäre?
Sie kritzelte ein paar Notizen auf ihren Block, während die beiden Männer die Fragen der Journalisten beantworteten. Zwischendurch warf sie selbst ein paar Fragen ein. Parallel aber arbeitete es in ihrem Kopf an einem Motiv, das sehr wenig mit al-Qaida, aber umso mehr mit ihr zu tun hatte. Sie war keine Unbekannte in der Stadt, und sie war in letzter Zeit ziemlich exponiert gewesen, war schon so oft in der Zeitung genannt und gezeigt worden, dass sie das Zählen aufgegeben hatte. Sie hatte sich in Dinge eingemischt, in die man vielleicht nicht ungestraft seine Nase steckte, und ihre Person schien die Stadt in drei Lager gespalten zu haben. Da war ihre Fangemeinde, die ihr den Status einer Superheldin aus Århus verlieh, mit der Lizenz zum Töten oder zumindest mit dem Recht ausgestattet, in alle möglichenFettnäpfchen zu treten, solange dadurch die Verbrecher gefasst wurden. Dann gab es die Kritiker, deren Leserbriefe und Mails sie auf die Palme bringen konnten. Und dann gab es diejenigen, die Drohbriefe schrieben. Mails, Briefe und Kurznachrichten, die sie immer gleich löschte, mit denen sie aber eigentlich zur Polizei gehen müsste. Es waren Drohungen, dass sie sich nicht in Sicherheit wähnen sollte. Informationen, dass sie beobachtet werden würde und ihr Wohnort bekannt sei. Morddrohungen … Sie hatte es bisher nie wirklich ernst genommen. Bis jetzt. Ein einziges Mal war die Polizei einem Drohschreiben nachgegangen und hatte einen verwahrlosten, verwirrten Mann aufgespürt. Danach hatte sie aufgehört, die Polizei zu benachrichtigen. Aber vielleicht hatten sich die Umstände mittlerweile grundlegend geändert?
»Und die Obduktion?«, fragte der Kollege von
Jyllands-Posten
in diesem Augenblick. »Hat die was Neues ergeben?«
Wagner zögerte offensichtlich mit der Antwort.
»Nicht an und für sich«,
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