Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt
Regel konnte sie mit Kritik ganz gut umgehen. Aber nicht von Bo.
»Das hoffe ich nicht«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Das hoffe ich verdammt noch mal nicht.«
Er drehte sich um und begann, kleine Fleischbällchen mit einem Löffel zu formen und diese in das siedende Wasser zu werfen.
»Und dann auch noch an diesem Datum«, murmelte Dicte.
»Was hat denn der 11. September mit dir zu tun?«
»Das meine ich nicht. Die Entlassung. Am Mittwoch.«
Ihre Blicke trafen sich über dem dampfenden Kochtopf.
»Ich wusste nicht, dass du die Sache im Auge behalten hast. Hast du nicht gesagt, er sei dir egal?«
Sie starrte in den Kochtopf, in dem die Fleischklöße auf und ab hüpften. Hatte sie jemals wirklich selbst daran geglaubt?
»Aber das ist er ganz offensichtlich nicht?«
»Offenbar nicht.«
Er nahm ein Messer und schlachtete den Sellerie, der in zwei Hälften zerfiel.
»Weißt du, wo er jetzt ist?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Aber du hast vor, das herauszufinden? Du hast vor, ihn zu treffen?«
Sie wusste es selbst nicht, deshalb zuckte sie nur mit den Schultern, wusste aber, dass er sie viel besser kannte. Er kannte sie sogar besser als sie sich selbst.
KAPITEL 9
Francesca wachte davon auf, dass der Mann neben ihr im Bett ihre Beine auseinanderdrückte und in sie eindrang. Nicht brutal, aber auch nicht vorsichtig und entschuldigend. Selbstverständlich bin ich bereit, dachte sie, als der Rhythmus einsetzte und die Invasion sie feucht werden ließ und somit Reaktionen in ihrem Körper hervorlockte, die ihr Kopf am Abend zuvor verweigert hatte. Die Wärme in ihrem Schoß breitete sich inArme und Beine aus, und sie empfing mit Genuss, während Jesus Christus am Kreuz von der gegenüberliegenden Wand zusah.
Vielleicht war ihr Liebhaber an diesem Morgen etwas behutsamer als sonst, das ließ sich nur schwer sagen. Er wusste zwar, dass sie der Einbruch und die Autobombe im Parkhaus mitgenommen hatten, aber er ahnte nicht, wie schlecht es ihr ging. Sie hatte ihn zu sich gerufen, obwohl sie wusste, wie riskant es war, und er war wie immer erst nach Einbruch der Dunkelheit zu ihr gekommen. Sein Fahrrad hatte er in ihre Garage gestellt. In einer Stunde, wenn die Nachbarn zur Arbeit gefahren waren und die Straße menschenleer war, würde er ihr Haus wieder verlassen, hoffentlich ohne gesehen zu werden. So wollte sie es haben, und so hatte es sich einrichten lassen. So hatten sie es in den vergangenen elf Monaten gehandhabt, seit sie sich kannten.
Eine halbe Stunde später stand er auf und brachte ihr das Frühstück ans Bett. Sie lauschte den Geräuschen in der Küche und wünschte sich einen kurzen Augenblick lang, dass sie ein ganz normales Paar wären mit ganz normalen Jobs und einer ganz normalen Liebesbeziehung, die im Internet entstanden war. Dort, wo so viele ihre Partner fanden. Aber so war es nun einmal nicht, sie schob die Illusion beiseite und ließ Früchte, Müsli und Kaffee den Magen füllen. An ihrem Verhältnis zu Asbjørn war nichts normal, was für ein Glück. Die Frage war nicht, wie viel die Beziehung aushielt, sondern wie viel sie selbst ertragen konnte.
Sie nahm einen Schluck Kaffee, stellte den Becher auf das Tablett und fühlte sich etwas gestärkter als noch wenige Minuten zuvor.
»Vielen Dank.«
»Ach, doch da nicht für. Du bist doch meine schöne Frau.« Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, ob er das wirklich ernst meinte. Was sie da direkt nach dem Einbruch in ihrem Spiegelbild gesehen hatte, hatte mit Schönheit nicht mehr so viel zu tun.Die Haare waren früher schwarz und glänzend gewesen, sie hatte eine Wespentaille gehabt und straffe Haut. Man sah zwar noch deutlich Anzeichen vergangener Vorzüge, und dank des regelmäßigen Trainings hatte sie ihren Körper unter Kontrolle, was ihr sehr viel bedeutete. Aber es wäre gelogen, wenn sie nicht zugeben würde, dass die Zeit ihre Spuren hinterlassen hatte. Er sagte ihr oft, dass er die Zeichen der Jahre in ihrem Gesicht und an ihrem Körper liebte. Er zeigte es ihr auch, und meistens glaubte sie ihm.
»Und du bist mein blonder Prinz«, sagte sie und liebkoste seine Wange und seinen Hals. Er saß nackt auf der Bettdecke. An den Stellen, an denen ihr Körper muskulös, aber von der Zeit gezeichnet war, war seiner stark, fest und voller Energie.
»Du könntest mein Sohn sein, caro«, sagte sie nicht zum ersten Mal und hörte den traurigen Klang in ihrer Stimme. Die Ereignisse der letzten Tage hatten sie verletzlich gemacht,
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