Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt
hat er mir gegenüber sogar erwähnt.« Er nickte.
»Aber das ist das Geringste. Wir leiden alle darunter, die einen mehr als die anderen. My zum Beispiel. Bei ihr war es ganz extrem. Man konnte sie nirgendwo festhalten.«
»Bist du deshalb in den Wald gegangen?«
Er antwortete nicht. Stattdessen erhob er sich, trat ans Fenster und öffnete es. Er sah über die Dächer der Stadt und holte tief Luft.
»Warum, Peter? Was ist passiert?«
Mit dem Rücken zu ihr erzählte er die ganze Geschichte. Und als er sich danach wieder zu ihr umdrehte und mit einem einzigen Blick eine größere Nähe unmöglich machte, gestand er, dass er seine Geschichte noch nie zuvor erzählt hatte.
KAPITEL 69
Asbjørn machte mit einer SMS Schluss. Ihm gehe es schlecht, schrieb er. Er sei gezwungen, sein Leben zu überdenken. Er bat um Verständnis, die Umstände hätten das bewirkt. Zwischen den wenigen Zeilen las Francesca heraus, dass seine Entscheidung mit seiner Familie zu tun hatte. Seine Eltern hatten nichts von ihrem Verhältnis gewusst, und sie verstand sehr wohl, dass es für sie ein Schock gewesen sein musste, ihren Sohn in eine Affäre mit einer machthungrigen Frau in den Wechseljahren verstrickt zu sehen. »Klimakteriumszicken« wurden solche wie sie genannt, oder? Natürlich konnte sie ihn verstehen. Aber die Enttäuschung hinterließ dennoch einen schalen Geschmack im Mund.
Selten hatte sie sich so leer gefühlt. Sie hatte die Fraktionssitzung im Rathaus verlassen und war mit dem Auto durch sein Stadtviertel gefahren. Dann hatte sie vor seinem Haus geparkt und aus dem Fenster gestarrt. Bei ihm war Licht. Ab und zu meinte sie sogar seine Silhouette im Küchenfenster zu erkennen, schmale Taille und die schönen, breiten Schultern, auf denen jedes Hemd stramm saß; der muskulöse Hals und sein klassisches Profil. Wenn er es wollte, wenn er überhaupt aus dem Fenster nach unten sehen würde, könnte er ihren Wagen auf dem Parkplatz stehen sehen. Wenn er es wollte, hätte er Kontakt mit ihr aufnehmen können, sie auf dem Handy anrufen und sie hochbitten können. Aber das tat er nicht. Weil er es nicht wollte.
»Oh, Asbjørn, mio caro. Asbjørn, Asbjørn, mein Geliebter.« Sie nahm Abschied. Die Erinnerungen an ihn und an die
Berührungen seines Körpers schwebten aus dem geöffneten Fenster und mischten sich mit der Abendluft. Sie wendete den Wagen und fuhr aus seinem Leben.
Es war schon dunkel, als sie endlich in die lange Straße in Skåde einbog, wo bläuliche Lichtschimmer in den Fenstern der Häuser hinter den Hecken von den Leben vor den Fernsehern erzählten. Sie fuhr in die Garage und stieg aus. Mit einem Knallwarf sie die Fahrertür zu, dass es nur so schepperte, sie vergaß aber, das Licht in der Garage anzuschalten, bevor die Innenbeleuchtung ausging. Neben der Tür, die in die Waschküche führte, tastete sie nach dem Schalter, aber als sie ihn endlich gefunden hatte, rührte sich nichts. Sie musste also wohl oder übel im Dunkeln nach ihrem Schlüssel wühlen, während sie sich vornahm, die Birne auszuwechseln. Plötzlich hielt sie inne, weil sie meinte, ein Geräusch gehört zu haben. Ein Rascheln aus einer Ecke der Garage.
»Miez, miez«, rief sie.
Die Nachbarskatze kam häufiger mal zu Besuch. Sie hatte sich offensichtlich in Francescas selbstgemachten Thunfischsalat verliebt. Ihr war an diesem Abend ein bisschen Gesellschaft sehr willkommen. Ihr gefiel die Vorstellung eines weichen pelzigen Tieres auf dem Schoß im Sofa beim Zappen und einem Glas Whiskey.
»Miez, miez. Na komm. Wir sehen mal nach, was ich für dich habe.«
Endlich fand sie das Schloss und drehte den Schlüssel um. Da spürte sie, dass etwas an der Türklinke hing, ein geknotetes Seil. Sie wusste intuitiv, dass sie es sein lassen sollte, trotzdem tasteten sich ihre Finger am Seil herunter, bis sie einen weichen Pelz an einem steifen kalten Körper berührten. Sie wollte laut aufschreien, aber es kam nur ein hilfloser, erstickter Laut heraus. In diesem Moment wurde sie hart von hinten gestoßen und ins Haus geschoben. Nach Zigaretten stinkende Finger drückten ihr den Mund zu, und etwas Spitzes wurde ihr in den Rücken gedrückt.
»Miau, Francesca. Hier ist dein kleines Kätzchen. Erinnerst du dich an mich?«
Seine Stimme war vollkommen entstellt in der Nachahmung eines Schnurrens. In ihrem Kopf herrschte ein wildes Chaos, und ihr Herz schlug im Takt dazu. War das ihr Ende? Würde es so enden? Ein Teil von ihr wollte einer
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