Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt
einige Pistolen und Handgranaten.«
Die Hand mit der Zimtschnecke wedelte durch die Luft, während der erfahrene Polizeibeamte das Ergebnis der letzten Razzia aufzählte, als stünde es auf einem Einkaufszettel für den Schlachter. Samuel Weinreich leitete die aktuellen Ermittlungen im Bandenkrieg, die Wagner parallel zu seinem Fall verfolgt hatte. Das gute, kollegiale Klima sorgte glücklicherweise dafür, dass Weinreich keine Probleme damit hatte, seine Ermittlungsergebnisse mit anderen zu teilen. So auch in diesem Fall über die Waffenfunde, die anlässlich diverser Hausdurchsuchungen im Rahmen des Bandenkriegs in Århus sichergestellt worden waren. Im Gegenzug hielt Wagner seinen Kollegen mit allen Einzelheiten im Adda-Boel-Fall auf dem Laufenden und erzählteihm auch von dem vollkommen nutzlosen Verhör des verletzten Omar Said im Krankenhaus.
»Die sagen nie was. Das ist wie bei den Rockern. Die sitzen lieber ihre Strafe im Gefängnis ab, als den Rest der Gruppe mit reinzuziehen.«
Sie saßen in der Kantine. Eine Thermoskanne Kaffee stand auf dem Tisch und machte fiepende Geräusche. Wagner lehnte die Zimtschnecke dankend ab, obwohl sie vorzüglich aussah. Aber er hatte Sodbrennen.
Weinreich dagegen stopfte sie sich genüsslich in den Mund.
»Du fragst dich bestimmt, wie das alles zusammenhängt«, sagte er mit vollem Mund und schluckte runter. »Ich kann verstehen, wenn sie damit Francesca Olsen Angst machen wollten. Denn sie verheißt schlechte Neuigkeiten für die Banden, für beide Seiten! Sie will sie aus der Stadt vertreiben, deren Versammlungsorte schließen, sie am liebsten vierundzwanzig Stunden am Tag überwachen lassen und so weiter und so fort.«
Er fuchtelte ein weiteres Mal mit der Hand, jetzt hielt sie nur noch eine halbe Zimtschnecke. Wagner wusste, was er meinte. Francesca Olsen saß den Banden im Nacken, wie noch kein Bürgermeister vor ihr es je gewagt hatte.
»Wenn die also – ich meine Omar Said und seine Jungs – in einem Aufwasch auch noch das Selbstbewusstsein der Rocker empfindlich erschüttern können, passt das doch hervorragend. Deshalb verstehe ich das mit dem Solarium auch. Damit haben sie nämlich das Herz der Geldwäsche getroffen. Mit dem Einbruch bei Francesca Olsen und den Explosionen haben sie gleich zwei Dinge auf einmal erreicht: Sie haben politisch ein Zeichen gesetzt und dem Erzfeind einen Schlag verpasst. Das reimt sich doch alles sehr gut zusammen.«
Weinreich nahm einen herzhaften Bissen von seinem Teilchen und kaute weiter.
»Aber dein Mord da ist eine andere Sache. Du fragst dich, ob die Banden was damit zu tun haben?«
»Ich suche nach Zusammenhängen. Tun wir das nicht immer?«
Weinreich nickte.
»Aber hier kann ich keine sehen. Da geht es um etwas anderes. Du solltest nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, das wäre mein Rat. Wenn diese Gruppen Morde begehen, dann bringen die sich gegenseitig um. Etwas anderes ergibt keinen Sinn.«
Er hatte das schon einmal gehört und hatte auch versucht, sich selbst davon zu überzeugen. Aber irgendetwas zog ihn nach wie vor in die andere Richtung.
»Mein Problem ist, dass ich nicht an Zufälle glaube. Alles hat eine Ursache. In der Regel ist das so.«
Weinreich schob sich das letzte Stück von der Zimtschnecke in den Mund und rieb sich die Krümel von den Händen.
»Aber wie passt das dann alles zusammen? Warum sollten Omar Said und seine Männer eine schwerbehinderte Frau umbringen, die in keiner Verbindung zum Bandenmilieu steht?«
»Ich glaube ja auch nicht, dass sie es waren. Aber Tatsache ist, dass die Explosion im Solarium schuld daran war, dass wir die eigentliche Todesursache erst viel später als üblich ermitteln konnten. Denn sonst hätte jemand sie vorher gefunden – eine Freundin kam zum Beispiel in der Regel donnerstags von 15:30 bis 16:30 –, und Gormsen hätte die Todesursache feststellen können.«
Weinreich betrachtete ihn eine Weile schweigsam. Dann leerte er seinen Kaffeebecher.
»Ich glaube es trotzdem nicht«, sagte er. »Die würden sich mit so etwas nicht belasten, wenn sie nicht gezwungen wären. Oder wenn sie daraus einen Nutzen ziehen könnten, aber den kann ich beim besten Willen nicht erkennen.«
Er stand auf.
»Aber wir beide bleiben im Kontakt, okay? Jede noch so kleine Information könnte für uns beide interessant sein.«
Wagner nickte.
»Es gibt da einen Zusammenhang. Und ich werde ihn herausfinden.«
»Oder wenn sie daraus einen Nutzen ziehen könnten.«
Weinreichs
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