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Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt

Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt

Titel: Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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anders als andere Straßennamen.
    Auf einem Pfahl saß eine Möwe und schlief, als sie sich den gelben Fischerhäusern näherte, die an der Kante der Steilküste standen. Sie hob zuerst nur schläfrig den Kopf, und als sie an der steilen Wand vorbeifuhr, konnte Dicte sie im Rückspiegel in den Himmel ragen sehen, als wären Freiheit und Raum unendlich, als gäbe es keine Grenzen.
    So muss er sich hier gefühlt haben, dachte sie, als sie den Motor ausschaltete. Die ultimative Freiheit: steil nach unten und hoch in die Luft und rechts und links nur Meer, Küste und Strand.
    Sie ließ die Schlüssel stecken, warf die Autotür zu und ging langsam zu dem Haus in der zweiten Reihe. Es war wie die anderen auch gelb und hatte eine graue Dachgaube, die sich über die gesamte Länge des Gebäudes erstreckte. Man konnte noch deutlich sehen, dass sich der Besitzer vor Jahren sehr um das Anwesen gekümmert hatte. Es war umgebaut und ausgebessert worden, aber jetzt stand es leer und verfiel, die gelbe Farbe blätterte ab, und Feuchtigkeit und Fäulnis machten den Holzbalken unter der grauen Farbe und den Fensterrahmen zu schaffen. Wohnte jemand da drin? Gehörte ihm das Haus nach wie vor? Manfred hatte gesagt, dass er nicht dort sei, aber vielleicht stimmte das nicht? Oder vielleicht war ein Zeichen von ihm da. Ein Hinweis, der sie auf seine Spur führen könnte.
    Sie versuchte, durch die Fenster zu sehen, aber die Gardinen waren zugezogen, kein einziger Lichtstrahl drang hinein. Sie wollte eigentlich klingeln, wusste hinterher aber nicht mehr, warum sie stattdessen die Türklinke heruntergedrückt hatte.
    Sie trat in einen kleinen Flur und von dort ins Wohnzimmer. Es war ein weißes und schlichtes Haus: weiße Wände, weißgestrichener Fußboden, eine Sofaecke mit weißem Bezug und weiße Bücherregale, in denen sich Berge von Büchern stapelten. Allerdings war das Weiß nicht mehr ganz so weiß. Die Möbel und der Fußboden waren schmutzig, die Gardinen graubraun. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, dass es früher sehr gemütlich und schön in diesem Zuhause gewesen war. Es stand kein Krimskrams herum, man hatte nur die Natur vor der Tür als Gesellschaft. Auch kein Fernseher, soweit sie das sehen konnte. Dafür hingen ungerahmte Bilder und Zeichnungen an den Wänden, ganz offensichtlich von ein und demselben Künstler. Ein Motiv zog sich durch alle Arbeiten: ein riesiger, brennender Baum. Sie trat ganz nah heran, um die Signatur zu lesen: PEB. Peter Boutrup?
    Sie ging weiter in die Küche. Dort beschlich sie ein ungutes Gefühl. Auf dem Tisch stand benutztes Geschirr, in der Spüle stapelten sich Teller. Es roch nach Rauch! Ihr Herz begann wild zu schlagen. Hier wohnte jemand, im Haus ihres Sohnes. Sie hatte kein Recht, hier zu sein. Vielleicht war es der neue Eigentümer. Vielleicht …
    »Hände hoch, sonst puste ich dir die Birne weg.«
    Die Stimme war männlich, verlebt, brüchig und voller Hass. Langsam hob sie die Hände, während sich ihr Körper eigenständig dazu entschied, alle Muskeln anzuspannen und sich auf ein Projektil vorzubereiten, das unter Umständen gleich eindringen würde.
    »Ich wusste nicht, dass hier jemand wohnt.«
    Die Angst raubte ihr den Speichel, ihr Mund war trocken, die Zunge klebte am Gaumen. Das Herz hämmerte wie ein Motor ohne Öl. Ihre Augen brannten.
    »Dreh dich um.«
    Vorsichtig befolgte sie die Aufforderung. Der Mann hatte einen Schritt nach hinten gemacht. Er hatte halblanges, zerzaustes Haar, hohe Wangenknochen, die Augen glänzten. Er trug eine verdreckte Jogginghose und war obenrum nackt.
    »Und jetzt geht es raus. Und marsch!«
    Er wedelte mit dem Gewehr.
    »Sonst bekommst du dieselbe Behandlung wie die letzten Gäste.«
    Sie wollte fragen, wer er sei, aber die Angst schnürte ihr den Hals zu. Psychopath war ein Wort, das ihr sofort in den Sinn kam. Sie war mit einem Psychopathen in einem fremden Haus gefangen, und niemand wusste davon. Wenn sie nicht vorsichtig war, würde sie im Haus ihres Sohnes sterben.
    Sie schob sich an dem Mann vorbei. Er stank nach Schweiß, ungewaschenen Haaren und Rauch. Während sie langsam durch Wohnzimmer und Flur das Haus verließ und sich auf ihren Wagen zubewegte, erwartete sie jeden Augenblick, eine Kugel in den Rücken zu bekommen.

KAPITEL 35
    Das Café war keiner dieser Szenetreffs, in denen man hübsche Frauen in Markenklamotten und Geschäftsmänner antraf, die laut am Handy über ihren letzten Coup sprachen. Ein Blick auf das Publikum

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